Amtsgericht Mitte

Im Namen des Volkes

Urteil

Geschäftsnummer: 115 C 3175/16 – verkündet am: 27.03.2017

In dem Rechtsstreit

Rechtsanwälte Bernd Borgmann, Olav Sydow, Anja Bothe PartG mbB, Mehringdamm 32, 10961 Berlin

-Kläger-

gegen

die PZU Powszechny Zaklad Ubezpieczen S.A., vertreten durch d. Vorstand, ul. Postepu 18 A, 02-676 Warszawa, Polen

-Beklagte-

hat das Amtsgericht Mitte, Zivilprozessabteilung 115, Littenstraße 12 – 17, 10179 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 27.03.2017

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 989,- € nebst Zinsen in Höhe von 8% für die Zeit vom 16.1.2015 bis zum 31.12.2015 und ab dem 1.1.2016 in Höhe von 5,5 % über dem Referenzzinssatz der polnischen Nationalbank zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die zulässige Klage ist in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang begründet und im Übrigen unbegründet.

Das AG Mitte ist international und örtlich zuständig nach Art. 11 I (b), 11 II EuGVVO i.V.m. Art. 9 I lit. b EuGVVO. Nach der Rechtsprechung des EuGH (NJW 2008, 819) und des BGH (NJW 2008, 2343), kann der Geschädigte, der seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat, vor dem Gericht seines Wohnsitzes eine Klage unmittelbar gegen den Versicherer erheben, sofern eine solche unmittelbare Klage zulässig ist und der Versicherer seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates hat. Da die Geschädigte ihren Anspruch an die Klägerin abgetreten hat, ist hier der Wohnsitz der Klägerin maßgebend.

Die Klägerin hat aus abgetretenem Recht einen Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz der Rechtsanwaltskosten, den sie nach Art. 19 Nr. 1 des polnischen Pflichtversicherungsgesetzt direkt gegenüber der Haftpflichtversicherung des Schadensverursachers geltend machen kann.

Mangels gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts ins nach Art. 4 Rom-11-VO polnisches Recht anwendbar, da sich der Unfall in Polen ereignet hat. Das gilt nach Art. 15 Rorn-11-Verordung auch für die Höhe des Schadens. Das bedeutet, dass die Geschädigte nur dann einen Anspruch auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten hat, wenn ihr ein solcher Anspruch auch nach polnischem Recht zustände.

Grundsätzlich sind außergerichtliche Rechtsanwaltskosten nach polnischem Recht nicht erstattungsfähig. Dabei geht der Gesetzgeber davon aus, dass jeder in der Lage sein sollte, seine Interessen außergerichtlich selbst wahrzunehmen. Ausnahmsweise nimmt die Rechtsprechung aber an, dass in komplizierten Fällen der Geschädigte berechtigt ist, einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Hierfür wird gefordert, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes erforderlich ist.

Das ist zum Beispiel nicht gegeben bei einem einfachen Blechschaden. Anders hingegen bei schweren Körperschaden. In jedem Fall ist die Notwendigkeit und die Begründetheit der Kosten in jedem Einzelfall zu prüfen (s. dazu auch Beschluss des OG vom 13.3.2012, III CZP 75/11).

Daraus folgt für den hier zu beurteilenden Fall: Allein die Tatsache, dass die Geschädigte nicht mit dem polnischen Recht vertraut ist, dürfte für die Einschaltung eines Rechtsanwaltes noch nicht ausreichen, jedenfalls dann nicht, wenn nur ein einfacher Blechschaden verursacht wurde. Hier aber betragt der Gegenstandswert unstreitig 20.359,09 €, so dass von einem erheblichen Schaden ausgegangen werden muss. Die Geschädigte muss daher hinsichtlich aller in Betracht kommender Ansprüche prüfen, ob und ggf. welche Ansprüche ihr nach polnischem Recht zustehen. Dies dürfte schon aus sprachlichen Gründen zu erheblichen Schwierigkeiten führen.

Daran ändert auch nicht der Umstand etwas, dass für die Beklagte eine deutsche Regulierungsbevollmächtigte aufgetreten ist, denn diese wird im Interesse der Beklagten und gerade nicht im Interesse der Geschädigten tätig. Im Übrigen ist auch dem hiesigen Streit zu entnehmen, dass die Rechtsansichten über bestehende oder nicht bestehende Ansprüche durchaus voneinander abweichen. Daher ist aufgrund der abweichenden Rechtsordnungen und Anspruchsgrundlagen von der Erforderlichkeit eines Rechtsanwaltes zur Klärung der Rechtsfragen auszugehen.

Da die Geschädigte mit dem Kläger das Mandatsverhältnis in Deutschland geschlossen hat, richtet sich der Anspruch des Geschädigten nach deutschem Werkvertragsrecht. Danach hat die Klägerin aus abgetretenem Recht einen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß §§ 13, 14, Nr. 2300 und 7002 VV RVG nach einem Gegenstandswert in Höhe von 20.359,09 €, somit in Höhe von 989,- €. Die Höhe des Anspruchs ist zwischen den Parteien unstreitig.

Der Zinsanspruch richtet sich, da die Klägerin insoweit den Schadensersatzanspruch der Geschädigten geltend macht, nach polnischem Recht. Nach Art. 14 Nr. 1 polnisches PflVersG hat die Versicherung die Entschädigung innerhalb von 30 Tagen ab Schadensmeldung zu bezahlen.

Mit Schreiben vom 11.12.2014 wurde der Regulierungsbevollmächtigten die Gebührenrechnung übersandt, woraufhin am 16.12.2014 eine Antwort übermittelte wurde. Somit ist davon auszugehen, dass die Beklagte spätestens am 16.12.2014 die Schadensmitteilung erhalten hat, so dass die Forderung 30 Tage später gemäß Art. 476, 481 § 1 ZGB zu verzinsen ist.

Die Höhe der Zinsen, die im Jahr 2015 von zuvor 13 % auf 8 % herabgesetzt wurde und jeweils durch eine Verordnung des Ministerrates beschossen wurde, ist ab dem 1.1.2016 im polnischen Zivilgesetzbuch verankert und betragt gemäß Art. 481 § 2 5,5% über dem Referenzzinssatz der polnischen Nationalbank.

Die prozessualen Nebenforderungen beruhen auf §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.