Amtsgericht Tiergarten

Im Namen des Volkes

 

Geschäftsnummer: (297 Cs) 3042 Js 7496/12 (233/12)

In der Strafsache

gegen

……….

wegen Trunkenheit im Verkehr

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Das Amtsgericht Tiergarten hat in der Sitzung vom 01.02.2013, an der teilgenommen haben

Richter W…. als Strafrichter
Amtsanwalt R. als Beamter der Amtsanwaltschaft Berlin
Rechtsanwalt …. als Verteidiger
Justizbeschäftigte W.. als Urkundsbeamtin der Geschäftststelle

für Recht erkannt:

Der Angeklagte wird auf der Grundlage des im Schuldspruch rechtskräftigen Strafbefehls des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 19.10.2012 zu einer Geldstrafe von

60 (sechzig) Tagessätzen zu je 20,- (zwanzig) Euro

verurteilt.

Dem Angeklagten wird für die Dauer von 3 (drei) Monaten verboten, Kraftfahrzeuge jeglicher Art im Straßenverkehr zu führen.

Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.

Angewendete Vorschriften:
§§ 316 Abs. 1 und 2, 44, 51 StGB

 

Gründe:

I.

Der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 53 jährige Angeklagte ist verheiratet und hat zwei Kinder im Alter von 14 und 20 Jahren. Die beiden Kinder leben noch im gemeinsamen Haushalt der Eltern. Der Angeklagte ist zur Zeit arbeitslos und bezieht Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich 820 €.

Der den Angeklagten betreffende Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 27. 08. 2012 enthält eine Eintragung.

Am 29.06.2011 – rechtskräftig seit dem selben Tag – verurteilte das Amtsgericht Tiergarten – (293 Cs) 3033 Js. 2961/11 (81/11) – den Angeklagte wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30,00 €.

II.

1.

Am 18.08.2012 gegen 01:35 Uhr befuhr der Angeklagte – fahruntüchtig infolge Alkoholgenusses bei einor Blutalkoholkonzentration von 1,63 Promille zur Zelt der Blutentnahme um 02:30 Uhr – mit dem PKW Opel (amtliches Kennzeichen B – .. ….) unter anderem den Magistratsweg in Berlin. Dabei hätte er die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit bei gehöriger Selbstprüfung erkennen können und müssen.

2.

Der Angeklagte hat sich unmittelbar nach der Tat im August 2012 aus eigener Initiative in eine verkehrstherapeutische Behandlung begeben. Vom 02. September 2012 bis zum 20. Januar 2013 nahm der Angeklagte an einer Rehabilitationsmaßnahme des Instituts IVf-Hö Berlin / Brandenburg für mit Alkoholdelikten auffällig gewordene Kraftfahrer teil, deren Ziel es ist eine Klärung des verkehrsauffälligen Verhaltens zu erreichen und überdauernde Veränderungen in den zugrunde liegenden Persönlichkeitsstrukturen herbeizuführen. Zu Beginn dieser Rehabilitationsmaßnahme fand eine diagnostische und prognostische Intensivberatung durch den Therapeuten des Angeklagten statt. Im Rahmen seines KBS Kurses (Kurs zur Sperrfrist Minderung / Aufhebung im Strafrecht) absolvierte der Angeklagte insgesamt bisher 58,5 Therapiestunden. Darunter befanden sich 7 Stunden Intensivberatung, 4 Stunden Einzeltherapie, 35,5 Stunden in Intensivgruppen sowie 12 Stunden in einer Selbsthilfegruppe. Darüber hinaus hat sich der Angeklagte freiwillig verpflichtet, an einem therapeutischen Nachsorgeprogramm teilzunehmen. Dabei handelt es sich zunächst um einen insgesamt 6 monatigen KBS – Langzeit Rehabililationskurs. An diesen schließen sich in der Folge weitere Nachsorgeschritte an.

Der Angeklagte hat seit dem Taltag keinen Alkohol mehr getrunken. Er hat sich direkt nach seiner Trunkenheitsfahrt für absolute Alkoholabstinenz entschieden und diese durch Teilnahme an einem Urin-Screening Kontrollprogramm der “ … GmbH“ seit dem 21.05.2012 belegt. Im Rahmen dieses Programms ist es zu mehreren unangekündigten Urinkontrollen gekommen. Auf eigenen Wunsch des Angeklagten, führt er das Abstinenzprogramm weiter.

Der Führerschein des Angeklagten wurde am 18. August 2012 beschlagnahmt und verblieb bis zum Ende des Hauptverhandlungstermins am 01 . Februar 2013 in amtlicher Verwahrung.

III.

Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten beruhen auf dessen glaubhaften Angaben und dem im Rahmen der Hauptverhandlung verlesenen Bundeszentralregisterauszug.

Die Feststellungen zum Tathergang sind entsprechend der Ziff. II. 1 der Urteilsgründe in Rechtskraft erwachsen. Das Amtsgericht Tiergarten hat auf Antrag cler Staatsanwaltschaft Berlin am 19. Oktober 2012 – (297 Cs) 3042 Js 7496/12 (233/12) – Strafbefehl erlassen. Gegen diesen seinem Verteidiger am 25.10.2012 zugestellten Strafbefehl hat der Angeklagte mit einem am 30.10.2012 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz seines Verteidigers form- und fristgerecht Einspruch eingelegt. Im Hauptverhandlungstermin hat der Angeklagte sodann durch seinen Verteidiger seinen Einspruch in zulässiger Weise (§ 410 Abs. 2 StPO) auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.

Das Nachtatverhalten ergibt sich aus einer Bescheinigung des heilkundlichen Verkehrstherapeuten Arndt Himmelreich sowie aus einer Bescheinigung der „… GmbH“. Diese Erkenntnisse wurden im Wege des Selbstleseverfahrens der Bescheinigungen nach§ 249 Abs. 2 StPO in das Verfahren eingeführt.

IV.

Aufgrund der wirksamen Beschränkung des Einspruchs gegen den Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom 19. Oktober 2012. hat sich der Angeklagte daher der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr nach § 316 Abs. 1 und 2 StGB strafbar gemacht.

V.

Die gegen den Angeklagten zu verhangende Strafe, ist dem Strafrahmen des § 316 StGB zu entnehmen. Dieser sieht Freiheitsstrafe bis ein Jahr bzw. Geldstrafe vor.

Bei der Beantwortung der Frage, welche konkrete Strafe den Angeklagten für seine Tat treffen musste, hatte das Gericht die für und gegen ihn sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte gegeneinander abzuwägen.

Zu seinen Gunsten wertete das Gericht, dass er seinen Einspruch gegen den Strafbefehl auf die Rechtsfolge beschränkt und dadurch die Verantwortung für seine Tat übernommen hat. Daneben hat der Angeklagte die Tat auch ausdrücklich eingeräumt und aufrichtig bedauert. Darüber hinaus wurde das Nachtatverhalten des Angeklagten berücksichtigt. So hat er sich unmittelbar nach der Tat einer Verkehrstherapie unterzogen.

Zu Lasten des Angeklagten war jedoch seine einschlägige Vorbelastung zu bemessen.

Unter Berücksichtigung dieser Strafzumessungsgesichtspunkte hält das Gericht die Verhängung einer Geldstrafe von

60 (sechzig) Tagessätzen

für tat- und schuldangemessen. Angesichts der Einkommensverhältnisse des Angeklagten ist eine Tagessatzhöhe von 20,00 Euro sachgerecht.

Von der Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB hat das Gericht trotz der Verwirklichung des Regelfalles des§ 69 Abs. 2 Ziff. 2 StGB abgesehen. Zwar ist der Täter einer Trunkenheitsfahrt gemäß § 69 Abs. 2 Ziff. 2 StGB in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen. Das Gericht ist jedoch zu der Überzeugung gelangt, dass das sich aus § 69 Abs. 2 Ziff. 2 StGB hier ergebende Regel-Ausnahme-Verhältnis entkräftet worden ist und der Angeklagte heute ausnahmsweise nicht mehr als ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeuges eingestuft werden kann. Maßgeblich für die Feststellung der Ungeeignetheit des Täters zum Führen von Kraftfahrzeugen ist der Zeitpunkt der tatrichterlichen Aburteilung.

Der Angeklagte hat die Straftat mit einer Blutalkoholkonzentration von etwa 1,63 Promille begangen. Damit war der Grad der absoluten Fahruntüchtigkeit erreicht. Es handelte sich um eine Fahrlässigkeitstat.

Im Rahmen der zu treffenden Prognose war zu berücksichtigen, dass der Angeklagte mit großem Erfolg an einer verkehrstherapeutischen Rehabilitationsmaßnahme teilgenommen und sich entschlossen hat, langfristig abstinent zu leben.

Aus den eingeführten Berichten des heilkundlichen Verkehrstherapeuten Himmelreich ergibt sich, dass der Angeklagte mit hoher Motivation und äußerstem Engagement an der Therapie teilgenommen hat. Der Angeklagte habe demnach gezeigt, dass er konsequent an sich arbeitet und die notwendigen Verantwortung übernimmt. Der Angeklagte hat bei der Therapie von Anfang an aktiv mitgearbeitet. Er war hochmotiviert, sein Verhalten zu ändern und ist insoweit gut vorangekommen. Insbesondere hat er seine psychische Problematik erkennen und einen Zukunftsplan aufstellen können. Seine Motivation habe erkennen lassen, dass der Angeklagte bereits nach Abschluss des ersten Teiles des Kurses, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auch in der Zukunft das erworbene Wissen in der alltäglichen Lebenspraxis eriolgreich umsetzen wird können. Die Ausführungen des Zeugen rechtfertigen zur Überzeugung des Gerichtes bereits zum jetzigen Zeitpunkt die Annahme, dass von dem Angeklagten neue Straftaten unter Alkoholeinfluss im Straßenverkehr nicht zu erwarten sind.

Diesbezüglich gibt es eine gefestigte Rechtsprechung dahin, dass im Fall einer kontinuierlichen und erfolgreichen Teilnahme an einer derartigen individualpsychologischen Verkehrstherapie die Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeuges entgegen der Regel-Ausnahme-Anordnung des § 69 Abs. 2 Ziff. 2 StGB nach einem gewissen Zeitraum wiederhergestellt ist (vgl. LG Aachen, Urteil vom 24.02.2011, 71 Ns. 226/10 m.w.N. der Rechtsprechung; LG Düsseldorf, Urteil vom 11.04.2008, 24a Ns. 26/07).

Dieser Annahme steht auch nicht entgegen, dass der Angeklagte den Langzeitrehabilitationskurs bislang noch nicht abgeschlossen hat, da sich aus den Berichten des Verkehrstherapeuten Himmelreich ergibt, dass dem Angeklagten bereits zum jetzigen Zeitpunkt eine dauerhafte Veränderung seiner früheren Lebenseinstellung attestiert werden kann. Der Angeklagte hat seinerseits detailliert und plausibel darstellen können, wie er sich seines Alkoholmissbrauches bewusst geworden ist. Insbesondere hat er verdeutlicht, dass es ihm nicht lediglich um die Wiedererlangung seiner Fahrerlaubnis gehe, sondern er auf seine gesamte Persönlichkeit durch den Verzicht auf den Alkoholkonsum positiv Einfluss nehmen wolle. Hierbei erschöpften sich die Ausführungen des Angeklagten nicht auf auswendig gelernte Allgemeinsätze, vielmehr hat er die für sich aus der Therapie gezogenen Schlussfolgerungen in eigenen Worten anschaulich und für das Gericht jederzeit nachvollziehbar dargelegt. Darüber hinaus muss explizit berücksichtigt werden, dass der Angeklagte seit der fraglichen Tat vollkommen abstinent lebt. Dies hat er im Rahmen des Abstinenzprogramms in zwei unangekündigten Urinkontrollen nachgewiesen. Die Bereitschaft zur angestrebten dauerhaften Veränderung wird auch daran deutlich, dass sich der Angeklagte weiterhin freiwillig im – kostenpflichtigen – Abstinenzprogramm der “ … GmbH“ befindet.

Diese Umstände rechtfertigen ein Abweichen vom Regelfall des § 69 Abs. 2 StGB, wobei im Rahmen der zu treffenden Prognoseentscheidung weiter zu berücksichtigen war, dass das von der Bundesanstalt für Verkehrswesen zertifizierte Institut IVT -Hö, bei dem sich der Angeklagte der Verkehrstherapie unterzieht, überdurchschnittliche therapeutische Erfolge vorweisen kann. So ergibt sich aus den Berichten des Verkehrstherapeuten Himmelreich, dass innerhalb von fünf Jahren nach der Maßnahme lediglich eine Rückfallquote von nur 6,4% verzeichnet werden kann.

Eine andere Prognoseentscheidung hat sich für das Gericht auch nicht aus dem Umstand ergeben, dass der Angeklagte bereits eine einschlägige Vorstrafe aufweist.

Entscheidungserheblicher Zeitpunkt für die Frage einer etwagen Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen, ist – wie bereits ausgeführt – der Zeitpunkt der tatrichterlichen Aburteilung. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, liegt die Voreintragung bereits über ein Jahr und sieben Monate zurück. Zum hier relevanten Zeitpunkt, hat das Gericht eine eigene Prognoseentscheidung zu treffen.  Aufgrund der eingeführten Berichte des Verkehrstherapeuten Himmelreich, hat das Gericht eine deutliche Zäsur in der Persönlichkeit des Angeklagten festgestellt. Das Gericht folgt den Feststellungen des Berichtes, das der Angeklagte nunmehr an seinen persönlichen Problemen gearbeitet hat. Aufgrund dieser damit einhergehenden Persönlichkeitsveränderung, ist das Gericht nunmehr davon ausgegangen, dass der Angeklagte zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen angesehen werden kann.

Gemäß § 44 StGB war neben der verhängten Geldstrafe ein Fahrverbot auszusprechen. Hierbei hat sich das Gericht an der Vorschrift des § 44 Abs. I S. 2 StGB orientiert, wonach ein Fahrverbot in der Regel anzuordnen ist, wenn in den Fällen einer Verurteilung nach § 316 StGB die Entziehung der Fahrerlaubnis – wie hier – unterbleibt. Unter Berücksichtigung der Wechselwirkung zwischen der verhängten Hauptstrafe in Gestalt der Geldstrafe und der Nebenstrafe in Gestalt des Fahrverbotes erscheint ein Fahrverbot von

3 (drei) Monaten

als tat- und schuldangemessen.

Die erfolgte Beschlagnahmc des Führerscheins des Angeklagten ist auf das verhängte Fahrverbot gemäß § 51 Abs 1 und 5 StGB anzurechnen, so dass dieses bereits vollständig vollstreckt ist.

VI.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht jeweils auf § 465 Abs. 1 Satz 1 StPO.