Amtsgericht Tiergarten

Im Namen des Volkes

 

Geschäftsnummer: (327 Cs) 246 Js 886/13 (295/13)

In der Strafsache

gegen

M… …..,

geboren am ……19.. in …….,

wohnhaft ….., …. Berlin,

verheiratet, deutscher Staatsangehöriger,

wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt

 

hat das Amtsgericht Tiergarten auf Grund der Hauptverhandlung vom 9.06.2014 und 30.06.2014,

an der teilgenommen haben:

 

Richter am Amtsgericht S… als Strafrichter

Staatsanwältin B… als Beamtin der Staatsanwaltschaft Berlin

Rechtsanwalt Olav Sydow als Verteidiger

Justizbeschäftigte S… als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

in der Sitzung vom 30.06.2014 für Recht erkannt:

 

Der Angeklagte wird auf Kosten der Landeskasse Berlin, die auch seine notwendigen Auslagen zu tragen hat,

f r e i g es p r o c h e n.

 

Gründe:

In dem am 30.1.2014 vom Amtsgericht Tiergarten erlassenen Strafbefehl wurde dem Angeklagten zur Last gelegt, in Berlin zwischen dem 1.8.2005 und dem 31.7.2009 das Vergehen des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt 49 Fällen gemäß §§ 266a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, 53 StGB begangen zu haben, indem er als Einzelunternehmer in der ….str. .., 1…. Berlin, im Zeitraum vom 1.8.2005 bis 22.1.2007 die Arbeitnehmer R…. und E…. sozialversicherungspflichtig beschäftigt habe. Trotz Kenntnis der ihm insoweit obliegenden gesetzlichen Pflicht habe er bis zum 15. des Folgemonats keinen Beitragsnachweis eingereicht. Die Sozialversicherungspflicht ergebe sich für diese Arbeitnehmer entgegen der formal bestehenden Gewerbeanmeldung aus dem Umstand, dass diese nur für das oben genannte Unternehmen, in dessen Räumen, auf Weisung und bei pauschaler Bezahlung tätig und damit tatsächlich abhängig beschäftigt worden seien.

Dadurch habe der Angeklagte bewirkt, dass die zuständigen Sachbearbeiter der Einzugsstellen für die Beitragsmonate August 2005 bis Januar 2007 mangels Kenntnis des tatsächlich angefallenen monatlichen Lohnes die darauf entfallenden Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile zur gesetzlichen Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung in Höhe von insgesamt 23.906,82 € nicht einfordern konnten. Im Einzelnen wird auf die in der Anlage 1 zum Strafbefehl näher aufgeführten Einzeltaten zu 1. bis 18. Bezug genommen.

Ferner habe der Angeklagte im Zeitraum vom 1.4.2007 bis 31.7.2009 als Geschäftsführer der … GmbH, …., 1….. Berlin, die oben genannten Arbeitnehmer unter denselben Bedingungen sozialversicherungspflichtig weiter beschäftigt. Trotz Kenntnis der ihm insoweit obliegenden gesetzlichen Pflicht habe er bis zum 15. des Folgemonats keinen Beitragsnachweis eingereicht. Dadurch habe er bewirkt, dass die zuständigen Sachbearbeiter der Einzugsstellen für die Beitragsmonate April 2007 bis Januar 2009 mangels Kenntnis des tatsächlich angefallenen monatlichen Lohnes die darauf entfallenden Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile zur gesetzlichen Kranken- Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung in Höhe von insgesamt 35.363,72 € nicht einfordern konnten. Im Einzelnen wird auf die in der Anlage 2 zum Strafbefehl näher aufgeführten Einzeltaten zu 19. bis 49. Bezug genommen.

Dem Angeklagten sei es dabei jeweils darauf angekommen, die eigentlich abzuführenden Beträge zu sparen und für seine eigenen Belange zu verwenden.

Der Angeklagte hat von seinem Recht Gebrauch gemacht, sich nicht zum Tatvorwurf äußern zu müssen. Nach Anhörung der Zeugen und der Verlesung verschiedener Urkunden verblieben nicht auszuräumende Zweifel an einer Tatbegehung des Angeklagten.

Die Zeugin ZOS’in Gi…, die damals die Kontrolle des Betriebes am 5.8.2009 durchführte, hatte angesichts des Zeitablaufs verständlicher Weise nur noch sehr vage Erinnerung an diese. Die Zeugin ZOS’in Ge… hatte selbst nicht an der Kontrolle teilgenommen, sondern den Vorgang erst später übernommen. Eigene Ermittlungen hatte sie nicht durchgeführt. Der Zeuge Zl S… war ebenfalls bei der Kontrolle am 5.8.2009 nicht zugegen, er hatte lediglich spätere Nachkontrollen durchgeführt bzgl. etwaiger anderer Gewerbstätigkeit der möglichen Arbeitnehmer R…. und E….. Zwar konnte der Zeuge Zl S…. keinerlei Anzeichen dafür entdecken, dass die Zeugen R…. und E….- wie bei der Kontrolle behauptet – als Selbständige in Berlin tätig waren. Das änderte aber nichts daran, dass zugleich nicht ausreichend sicher festgestellt werden konnte, in welchem Umfsng sie tatsächlich im Betrieb des Angeklagten tätig waren.

Der Zeuge R…. konnte nicht geladen werden. Der Zeuge E…., für den eine polnische Anschrift ermittelt wurde, über die er geladen wurde, erschien unentschuldigt nicht zum Termin.

Die Zeugen S…. (Sohn des Angeklagten), S…. (Bruder des Angeklagten) und S…. (Schwager des Angeklagten) machten jeweils in der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 StPO Gebrauch. Die Zeugin S… (Ehefrau des Angeklagten) machte schon im Vorfeld von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 StPO Gebrauch. Bzgl. des Zeugen S…. hatte dies auch zur Folge, dass seine damals bei der Kontrolle gemachten Angaben (Bd. I BI. 4 d.A.) gemäß § 252 StPO nicht verwertet werden konnten.

Die Zeugen G.…, K…. und H…., die allesamt im Laufe der letzten Jahre im Betrieb des Angeklagten beschäftigt gewesen waren, gaben jeweils – auch auf Vorhalt der bei der Kontrolle gefertigten Lichtbilder der Zeugen R…. und E…. (Bd. I BI. 11 und BI. 19 d.A) an, diese nicht wiedererkennen zu können und auch nichts davon zu wissen, dass diese im Betrieb des Angeklagten gearbeitet hätten; sie betonten jeweils, aber nur für den Bereich des Betriebes sprechen zu können, in dem sie selbst tätig gewesen seien. Zwar war es angesichts des teilweise sehr ausweichenden und nicht immer in sich schlüssigen Aussageverhaltens dieser Zeugen denkbar, dass sie insoweit die Unwahrheit gesagt haben könnten, nicht zuletzt mit Blick auf die berufliche Verbindung zum Angeklagten. Umgekehrt ergaben sich aber aus ihren Aussagen keine greifbaren Anhaltspunkte, die für eine Beschäftigung der Zeugen R… und E… gesprochen hätten.

Im Wesentlichen stützte sich der Anklagevorwurf auf die bei der Kontrolle gefertigten Kontroll- und Fragebögen (Bd. I BI. 5 und 6 sowie Bd. I BI. 13 und 14 d.A.), welche auf den Angaben der Zeugen R…. und E…. damals vor Ort basierten. Auch wenn der eine Fragebogen mit einer polnischen Übersetzung versehen war, ändert dies nichts daran, dass nach Erinnerung der Zeugin Ge… die Verständigung mit den beiden polnisch sprechenden Personen auf deutsch nur schwer möglich war, weshalb sie das auch so auf dem Kontrollblatt vermerkt habe. Die Angaben auf den Kontrollbögen sind teilweise sehr vage („bei dem Arbeitgeber seit: ca. 4 Jahre“, „an dieser Arbeitsstelle seit ca [ … ]Jahre“, beides Bd. I BI. 13d.A.). Darüber hinaus gehende Feststellungen wurden nicht getroffen.

Zwar hält das Gericht es durchaus für möglich, dass der Angeklagte die besagten Zeugen R… und E…. tatsächlich als (scheinselbständige) Arbeitnehmer in dem fraglichen Zeitraum beschäftigt haben könnte. Auch hält das Gericht es für möglich, dass man unter Anlegung eines anderen prozessualen Prüfungsmaßstabes die Nachzahlung der dann nicht gezahlten Sozialversicherungsbeiträge noch geltend machen könnte. Bei Zugrundelegung des- sehr strengen- Prüfungsmaßstabes im Strafprozess jedoch sah das Gericht die Tatbegehung nicht als ausreichend sicher erwiesen an. Auf die Berechnungen des Zeugen F… von der Deutschen Rentenversicherung Berlin·-Brandenburg, der lediglich die eingereichten Ermittlungsergebnisse auswertete und auf dieser Grundlage etwaige Sozialversicherungsbeiträge berechnete, kam es letztlich nicht an.

Im Ergebnis war dem Angeklagten eine Tatbegehung mit der für eine strafrechtliche Verurteilung erforderlichen Sicherheit nicht nachzuweisen. Das Gericht hat den Angeklagten daher aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.

Die Kostenentscheidung beruht auf§ 467 Abs. I StPO.