Im Namen des Volkes

Urteil

ln dem Rechtsstreit
U. F., …, 15834 R…

-Kläger-

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Borgmann, Sydow, Bothe, Mehringdamm 32, 10961 Berlin

gegen

1. B… GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer, …, 14974 L.

-Beklagte-

2. A.. Versicherungs AG, vertreten durch d. Vorstand, …, 80802 M.

-Beklagte-

Prozessbevollmächtigter zu 1 und 2:
Rechtsanwalt …, …, 14052 B.

Prozessbevollmächtigte zu 1:
Rechtsanwälte …, …, 10719 B.

hat das Amtsgericht Zossen durch den Richter am Amtsgericht B… auf Grund der mündlichen
Verhandlung vom 06.11.2014 für Recht erkannt:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 731,36 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13. Juli 2013 zu bezahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, den Kläger von Forderungen des Kfz-Sachverständigenbüro R… W…, …, 14974 L., gemäß Rechnung vom 10. Januar 2013, Rechnung Nr. 010/13, in Höhe von 235,88 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit 13. Juli 2013 freizustellen.

3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, den Kläger von außergerichtlichen Forderungen seiner Prozessbevollmächtigten in Höhe von 186,24 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit 02.04.2014 freizustellen.

4. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Gegenständlich sind Ansprüche aus dem Verkehrsunfall vom 20. Dezember 2012. Der Kläger befuhr an diesem Tag mit seinem Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen … das Gelände des Südring-Centers in Rangsdorf. Er bog an der Ausfuhr des Parkplatzes nach rechts in die das gesamte Gelände außen umgebende „Ringstraße“ ab. Dabei kam von links das Fahrzeug der Beklagten zu 1) mit dem amtlichen Kennzeichen …. Dieses Fahrzeug der Beklagten zu 1) ist bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert. Das Beklagtenfahrzeug streifte das klägerische Fahrzeug in der Folge an der linken Seite im vorderen Bereich. Anschließend entfernte sich der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs, ohne die notwendigen Feststellungen zu ermöglichen. Vergleiche wegen der Unfallörtlichkeit die Übersichtsaufnahme wie BI. 49 d.A. sowie die überreichte Bilddokumentation (BI. 60 d.A.).

An dem klägerischen Fahrzeug entstand ausweislich des Gutachtens des Kfz-Sachverständigen R. W. vom 10. Januar 2013 (BI. 7 ff. d.A.) ein Schaden an Reparaturkosten von 906,03 € netto sowie eine Wertminderung von 170,00 €. Für die Erstellung des Gutachtens berechnete der Sachverständige Kosten in Höhe von 389,99 € (vgl. BI. 7 d.A.).

Die Beklagte zu 2) zahlte an den Kläger 462,73 € sowie an den Sachverständigen W. einen Betrag in Höhe 154,11 €.

Der Kläger hat sein Fahrzeug beim Autoservice B…, nach seinem Vortrag vom 11. bis 19. November 2013, reparieren lassen. Dafür sind Kosten in Höhe von 907,09 € brutto angefallen. Neben der Wertminderung machte der Kläger eine Unkostenpauschale von 25,- € geltend. Für die vom Sachverständigen ermittelte angemessene Reparaturdauer von vier Arbeitstagen macht der Kläger Nutzungsausfallentschädigung von 23,00 € pro Tag, insgesamt 92,- € geltend.

Der Kläger macht in dem Klageverfahren noch folgende Ansprüche geltend:

Reparaturkosten 539,36 €
Wertminderung 85,00 €
Kostenpauschale 15,00 €.
Nutzungsausfallentschädigung 92,00 €

Darüber hinaus sei der Kläger von den Ansprüchen des Kfz- Sachverständigen W. in Höhe von 235,88 € sowie von den Kosten für die vorgerichtliche Tätigkeit seiner Prozessbevollmächtigten freizustellen.

Der Kläger meint, an der Unfallörtlichkeit gelte der Grundsatz „rechts vor links“, da die aneinander kreuzenden Verbindungen hinsichtlich Markierung, Breite und Verkehrsführung im Wesentlichen gleichartige Merkmale aufweisen würden. Zutreffend sei, dass die das Parkplatzgelände umgebende Ringstraße eindeutigen Straßencharakter habe. Auf dem Gelände gelte auch die Straßenverkehrsordnung. Gleiches gelte aber auch für die Ausfahrt des Parkplatzgeländes. Auch diese habe Straßencharakter. Diese sei auch nicht etwa durch einen abgesenkten Bordstein oder ähnliches gekennzeichnet, sondern wie eine normale Querstraße, über die ein Zebrastreifen für Fußgänger verläuft. Es handele sich vorliegend auch keineswegs um einen Bagatellunfall Die Reparaturkosten wurden vom Sachverständigen mit 906,03 € netto ermittelt. ln diesem Bereich seien nach allgemeiner Auffassung die durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens entstandenen Kosten erstattungsfähig, dies umso mehr, als auch eine Wertminderung zu ermitteln gewesen sei. Substantiierte Einwendungen gegen die Höhe der vom Sachverständigen berechneten Gebühren für die Besichtigung des Fahrzeuges und Ermittlung der unfallbedingten Reparaturkosten und Wertminderung hätten die Beklagten nicht vorgetragen. Diese seien ortsüblich und angemessen.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 731,36 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 13. Juli 2013 zu zahlen;
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, den Kläger von Forderungen des Kfz-Sachverständigenbüro R. W., P. Str. …, 14974 L., gemäß Rechnung vom 10. Januar 2013, Rechnung Nr. 010/13, in Höhe von 235,88 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit 13. Juli 2013 freizustellen;
3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, den Kläger von außergerichtlichen Forderungen seiner Prozessbevollmächtigten in Höhe von 186,24 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit freizustellen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten meinen, der Kläger könne sich auf ein vermeintliches Vorfahrtsrecht nicht berufen, da der Grundsatz „rechts vor links“ nach § 8 Abs. 1 StVO im Verhältnis zum Beklagtenfahrzeug nicht gegolten habe. Die vom Kläger befahrene Ausfahrt des Parkplatzgelände diene zum einem dem Suchen und Auffinden von Parkplätzen und der Zu- und Abfahrten der Fahrzeuge. Sie besitze keinen eindeutigen Straßencharakter und grundsätzlich würden solche Fahrspuren nicht dem fließenden Verkehr dienen. Die von dem Fahrzeug der Beklagten zu 1. befahrene Straße sei baulich deutlich gegenüber den Aus- und Zufahrtsstraßen des Parkplatzes abgesetzt. An ihr würden sich keine Parkplätze befinden und es seien Fußgängerüberwege vorhanden. Die Ringstraße gebe im Gegensatz zu den Ausfahrten des Parkplatzes ein Gepräge eines geregelten Straßenverkehrs.
Höhere unfallbedingte und berücksichtigungsfähige Sachverständigengebühren als 308,21 EUR (brutto) würden nicht bestehen. Zum einen handele es sich im vorliegenden Fall um einen sogenannten „Bagatellschaden“ am klägerischen Fahrzeug, bei dem die Veranlassung eines Sachverständigengutachtens bzw. entsprechender Sachverständigengebühren schon einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht bedeute. Hier hätte der Fahrzeugschaden sehr viel kostengünstiger durch einen Kostenvoranschlag einer Werkstatt oder aber Veranlassung eines Sachverständigengutachtens durch die Sachverständigen der Beklagten zu 2) kostenfrei veranlasst
werden können. Zum anderen könne der Sachverständige W. nur ortsübliche und angemessene Gebühren für sein Gutachten beanspruchen, die ausweislich der Berechnung der Beklagten zu 2) (Anlage B1) ortsübliche für ein vergleichbares Gutachtens zum hier interessierenden Zeitpunkt 308,21 EUR (brutto) betragen würden.
Nutzungsausfallschaden des Klägers werde mit Nichtwissen bestritten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze des Klägers und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagten noch einen Anspruch auf Schadensersatz von 539,36 € an Reparaturkosten, einer Unkostenpauschale von 15,- €, einer Nutzungsausfallentschädigung von 92,- € sowie auf Freistellung von Gutachterkosten von 235,88 € aus §§ 7, 17, 18 StVG, 115 VVG.

Zum Unfallzeitpunkt ist das Fahrzeug des Klägers beim Betrieb des vom Beklagten zu 1) gehaltenen und bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Fahrzeugs beschädigt worden.

Bezogen auf den Unfallschaden muss sich der Kläger keine eigene Haftung entgegenhalten lassen, weshalb die Beklagten gemäß § 17 Abs. 1 und 2 StVG den vom Kläger geltend gemachten Schaden zu ersetzen haben. Die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes hängt gemäߧ 17 Abs. 1 StVG von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Danach
war vorliegend von einer jeweils hälftigen Haftung auszugehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass zur Abwendung der Haftung nach § 17 Abs. 1 und 2 StVG sich der Halter entlasten muss.

Wo aber die Haftung als solche und Ausgleichspflicht in Betracht kommen, hat im Rahmen des § 17 StVG der jeweils andere Teil dem Halter einen als Verschulden anzurechnenden Umstand oder das Mitwirken der Betriebsgefahr seines Fahrzeugs zu beweisen. Gelingt dies nicht, so belastet der Umstand den jeweiligen Halter nicht. Lässt sich zum Verschulden nichts feststellen, darf jedem Halter nur die Betriebsgefahr zugerechnet werden. Nur unstreitige, zugestandene und
erwiesene Tatsachen können Berücksichtigung finden. Bleibt der Unfallhergang ungeklärt, so ist die von beiden Parteien jeweils zugestandene Fahrweise zugrunde zu legen (vgl. für das Vorstehende Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., § 17 StVG, Rn. 31 ).

Beide Seiten haben vorliegend grundsätzlich für den entstandenen Unfall nach § 7 StVG einzustehen. Sie sind mit ihrer Haftung nicht nach § 17 Abs. 3 StVG ausgeschlossen, da sich eine Unvermeidbarkeit des Unfalls jeweils nicht ergibt. Dass jeweils auch bei Anwendung äußerst möglicher Sorgfalt der Unfall für eine Partei nicht zu vermeiden gewesen ist, ergibt sich nach dem Sachvortrag in der erforderlichen Weise konkret nicht.

Die Beklagten müssen sich die Betriebsgefahr des vom Beklagten zu 1) gehalten Fahrzeugs entgegen halten lassen. Im Weiteren muss ihnen ein maßgeblicher Verstoß der vom Fahrer des Beklagtenfahrzeugs zu beachtenden Vorfahrtsgewährungspflicht nach § 8 StVO im Hinblick auf das Klägerfahrzeug entgegen gehalten werden. ln dem fraglichen Bereich galt der Grundsatz „rechts vor links“, da neben der vom Beklagtenfahrzeug befahrenen „Ringstraße“ auch die vom Klägerfahrzeug befahrene „Ausfahrtsstraße“ Straßencharakter hat. Diese „Ausfahrt“ vom Parkplatz ist dem öffentlichen Verkehr zugänglich. Sie dient nach ihrer Lage und ihrem Charakter dem fließenden und durchgehenden Verkehr. Nach der überreichten Bilddokumentation (BI. 60 d.A.) ergibt sich bereits in hinreichendem Maße, dass die „Ausfahrt“ dem fließenden Verkehr zugehörig ist.

Ausmaß und Art entsprechen der „Ringstraße“ in diesem Bereich. An der „Ausfahrtsstraße“ befinden sich unmittelbar keine Parkplätze. Vielmehr sind diese erst über ein Einbiegen in gesonderte Zufahrten zu erreichen, an denen dann die Parkplätze gelegen sind. Schon hiernach kann die „Ausfahrtsstraße“ nicht der Parkfläche zugerechnet werden, für die lediglich das Vorfahrtsrecht eingeschränkt Geltung finden könnte. Bei dieser „Ausfahrtsstraße“ handelt es sich auch nicht um
ein Ausfahrt i.S.d. § 10 StVO, denn sie dient jedenfalls auch dem durchgehenden Verkehr.

Wie die Übersichtsaufnahme (BI. 49 d.A.) zeigt, ist die „Ausfahrtsstraße“ bereits selbst am zur Unfallstelle anderen Ende an eine Straße angebunden, die wiederum an die „Ringstraße“ sowie weitere Straßen angebunden sind, die einen durchgehenden Verkehr ermöglichen und zulassen. Angesichts der den Beklagten vorzuwerfenden und für den Unfall entscheidenden Vorfahrtspflichtverletzung muss die dem Kläger anzulastende Betriebsgefahr seines Fahrzeugs als für die Haftungsverteilung unbeachtlich zurücktreten mit der Folge, dass die Beklagten insg. für den Schaden aufzukommen haben.

Hiernach haben die Beklagten die dem Kläger infolge dessen entstandenen Reparaturkosten von nach der teilweisen Zahlung noch 539,36 € sowie die noch nicht ausgeglichene Wertminderung von 85,- € zu erstatten. Bei der Unkostenpauschale ist noch ein Betrag von 15,- € zu erstatten, wobei das erkennende Gericht im Ausgang eine Unkostenpauschale in Höhe von 25,- € als der Höhe nach gerechtfertigt ansieht.

Im Weiteren haben die Beklagten den Kläger von den geltend gemachten Sachverständigenkosten in Höhe von 235,88 € freizustellen. Der Kläger konnte zur Schadensfeststellung einen Sachverständigen beauftragen, da die maßgebliche Grenze für Bagatellschäden in Höhe von 700,- € überschritten ist (vgl. Palandt, 73. Aufl., § 249, Rn. 58). Selbst wenn es sich bei den berechneten Kosten nicht um die ortsüblichen Kosten handelt, diese also übersetzt wären, unterliegen diese
im Verhältnis schädigende Beklagte zum geschädigten Kläger einer Erstattungspflicht (vgl. Palandt,
a.a.O.).

Auch ist eine Nutzungsausfallentschädigung für 4 Tage, mithin ein Betrag von 92,- € zu zahlen. Unbeschadet des Umstandes, dass ein dahingehender Vortrag der Beklagten bereits wegen Verspätung nicht beachtlich wäre, ist der für die vorgetragene Reparaturzeit vom 11. bis zum 19.11.2013 und die hierauf für eine nach dem Sachverständigengutachten angemessene Reparaturdauer von 4 Tagen geltend gemachte Nutzungsausfall konkret nicht bestritten. Denn insoweit ist vom Kläger sehr wohl ein konkreter Zeitraum des Nutzungsausfalls behauptet worden, in dem ihm sein Fahrzeug nicht zur Verfügung gestanden hat. Aus der vorherigen Nutzung durch den Kläger ist auch von dessen Nutzungsmöglichkeit und -willen auszugehen, die allein durch lebensnahe Betrachtungsweisen in maßgeblicher Weise nicht in Zweifel gezogen werden können.

Aus Schadensgesichtspunkten sind auch die vorgerichtlichen Anwaltskosten in zuerkannter Höhe zu zahlen. Hierbei kann der Kläger Erstattung der Geschäftsgebühr in vollständigem Umfang begehren. Eine Anrechnung der hälftigen Gebühr hat lediglich auf die Verfahrensgebühr zu erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 22.01.2008- VIII ZB 57/07). Ein Rechtsübergang dieser Forderung auf eine Rechtsschutzversicherung ergibt sich im Weiteren nicht in der erforderlichen Weise. Der zuerkannte Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 286 BGB bzw. § 291 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Ziff. 11, 709, 711 ZPO.

Streitwert: 967,24 € (gemäߧ§ 48, 43 GKG, 3 ZPO)