Die Aufteilung von Vermögen bei einer Scheidung wird umso komplizierter, je vielschichtiger die wirtschaftlichen Verhältnisse und je komplexer die Vermögensverhältnisse sind. Dies gilt besonders bei Selbstständigen, Freiberuflern oder Gesellschaftern von Unternehmen. Entscheidend ist eine transparente Ermittlung und Bewertung des Vermögens, damit eine faire Grundlage für die Verhandlungen geschaffen wird.
Was bedeutet Zugewinngemeinschaft und warum ist sie wichtig?
In Deutschland leben Ehepaare ohne Ehevertrag automatisch im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Das bedeutet:
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Bei der Scheidung erfolgt ein Zugewinnausgleich: Der Ehepartner mit dem höheren Vermögenszuwachs während der Ehe muss die Hälfte der Differenz an den anderen ausgleichen.
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Auch Unternehmenswerte zählen: Beteiligungen und Firmenvermögen unterliegen grundsätzlich dem Zugewinnausgleich – unabhängig davon, ob beide Partner im Unternehmen mitgearbeitet haben.
Beispiel: Wenn ein Ehepartner während der Ehe eine GmbH aufgebaut hat, die nun 500.000 € wert ist, kann der andere Partner Anspruch auf einen Teil dieses Wertzuwachses haben – auch ohne aktive Mitarbeit im Unternehmen.
Wichtige Aspekte bei der Vermögensaufteilung
1. Vollständige Auflistung des Vermögens
Zunächst muss das gesamte Vermögen beider Ehegatten offengelegt werden:
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Unternehmensbeteiligungen
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Immobilien
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Wertanlagen und Kapitalvermögen
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Schulden und Verbindlichkeiten
2. Bewertung von Unternehmen und Beteiligungen
Die Bewertung von Geschäftsvermögen ist besonders anspruchsvoll:
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Stichtag: Unternehmensanteile müssen zum Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags bewertet werden – oft durch unabhängige Sachverständige.
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Versteckte Werte: Auch nicht ausgeschüttete Gewinne, stille Reserven (versteckte Wertsteigerungen im Unternehmen) oder entnahmefähige Mittel spielen eine Rolle.
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Unternehmensschutz: Eine Scheidung ohne vertragliche Regelung kann zu Liquiditätsproblemen führen oder das Unternehmen sogar gefährden.
3. Trennung von Privat- und Betriebsvermögen
Wichtig ist die Unterscheidung, ob es sich um rein betriebliches Vermögen handelt oder ob private Vermögenswerte mit dem Unternehmen verflochten sind. Diese Abgrenzung beeinflusst maßgeblich den Zugewinnausgleich.
4. Schutz des Unternehmens
Das Gesetz schützt Unternehmen davor, durch eine Scheidung in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten. Daher wird häufig eine Ausgleichszahlung anstelle einer direkten Aufteilung des Unternehmensvermögens vorgesehen – so bleibt der Betrieb handlungsfähig.
5. Vertragliche Regelungen schaffen Klarheit
Eheverträge oder Gesellschaftervereinbarungen können im Vorfeld festlegen, wie im Fall der Scheidung mit Unternehmensanteilen umgegangen wird. Solche Vereinbarungen schaffen frühzeitig Rechtssicherheit und verhindern Streitigkeiten.
Falls noch keine Regelungen bestehen, kann eine Scheidungsfolgenvereinbarung geschlossen werden mit:
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Gütertrennung oder modifizierter Zugewinngemeinschaft (angepasste Regelungen zum Vermögensausgleich)
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Ausschluss oder Begrenzung des Zugewinnausgleichs für Unternehmenswerte
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Regelungen zur Unternehmensfortführung, Abfindungsmodalitäten und Versorgungsausgleich
Besonderheiten bei Gesellschaftsverträgen:
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Gesellschaftsverträge sollten Scheidungsklauseln enthalten, um die Übertragung oder Bewertung von Anteilen zu regeln
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Bei Personengesellschaften (z. B. GbR, OHG) kann die Scheidung eines Gesellschafters auch Folgen für die Haftung haben – etwa wenn der Ex-Partner plötzlich Mitgesellschafter werden würde
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Eine frühzeitige Abstimmung mit den Mitgesellschaftern ist empfehlenswert
6. Individuelle und kreative Lösungen
Jede Vermögenssituation ist einzigartig. Oft sind flexible Ansätze notwendig, etwa durch:
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Ratenzahlungen über mehrere Jahre
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Übertragung anderer Vermögenswerte (z. B. Immobilien statt Unternehmensanteile)
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Einräumung von Nutzungsrechten
Praktische Schritte zur fairen Vermögensaufteilung
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Vollständige Vermögensaufstellung beider Ehepartner inkl. Unternehmenswerte, Immobilien, Kapitalanlagen
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Transparente Bewertung durch externe Gutachter bei komplexen Vermögensstrukturen
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Verhandlungslösungen zur Vermeidung langwieriger gerichtlicher Auseinandersetzungen
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Steuerliche Beratung zur Optimierung der Vermögensübertragung und Vermeidung unnötiger Steuernachteile
Fazit
Eine faire und rechtssichere Aufteilung komplexer Vermögensverhältnisse erfordert Fachwissen, Erfahrung und oftmals die Zusammenarbeit mit externen Gutachtern. Es braucht eine individuelle Bewertung, durchdachte vertragliche Gestaltung und interdisziplinäre Beratung.
Unser Rat: Gerade Selbstständige und Unternehmer profitieren von frühzeitiger anwaltlicher Beratung – idealerweise schon vor einer möglichen Trennung. So lassen sich wirtschaftliche Nachteile, langwierige Streitigkeiten und existenzbedrohende Situationen vermeiden. Lassen Sie sich beraten, bevor Probleme entstehen – das spart Zeit, Geld und Nerven.
