Oberlandesgericht Dresden
Zivilsenat
Aktenzeichen: 17 W 26/18
Amtsgericht Borna, 2 VI 707/17
Zur Geschäftsstelle gelangt am: 07.02.2018
Beschluss
In der Nachlasssache
F…. R…. W…,
zuletzt wohnhaft 0….. M….
verstorben am ……1989
-Erblasser-
Beteiligte·
1. G… B… O…, K…. G…., 1…. N….
– Beschwerdeführerin –
Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte Borgmann, Sydow, Bothe, Mehringdamm 32, 10961 Berlin,
2. F… S… W…, H…, 0…. M….
– Beschwerdegegner –
wegen Erteilung eines Erbscheins
hat der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. N…,
Richterin am Amtsgericht Dr. K… und
Richterin am Oberlandesgericht Dr. B…
ohne mündliche Verhandlung
beschlossen:
Der Beschluss der Nachlassrechtspflegerin beim Amtsgericht Borna (2 VI 707/17), zur Geschäftsstelle gelangt am 24.08.2017, wird aufgehoben.
Gründe:
I.
Im Streit steht die Wirksamkeit eines Erbscheinsantrags, den die 1923 geborene Frau A.W. (im weiteren: Antragstellerin) am 26.04.2017 als Witwe und Alleinerbin des 1989 verstorbenen Herrn F. R. W. vor dem Notar L. in M. beurkunden lassen hat. Die Antragstellerin ist am 25.01.2018 verstorben.
Der Erblasser hatte zwei eheliche Kinder, die Beteiligten zu 1 und 2. Mit handschriftlichem Testament vom 31.10.1982 bestimmte er die Antragstellerin zu seiner Alleinerbin. Er verstarb Zu seinem Nachlass gehört ein Einfamilienhaus in M. –G..
Die Antragstellerin erteilte am 14.03.2017 dem Beteiligten zu 2 und dessen Tochter eine Vorsorgevollmacht. Sie erschien am 25.04.2017 vor dem Notar L. und beurkundete dort eine Grundstücksschenkung zu Gunsten des Beteiligten zu 2 sowie einen Erbscheinsantrag, der sie als Alleinerbin nach dem Erblasser ausweisen sollte. Zu diesem Zeitpunkt konnte die Antragstellerin nur schwer hören, eine Verständigung mit dem Notar und dessen Angestellten war durch lautes Brüllen möglich. Etwaige Einschränkungen in der Sehfähigkeit oder eine Geschäftsunfähigkeit der Erblasserin hat der Notar nicht bemerkt.
Im Erbscheinsverfahren vor dem Nachlassgericht des Amtsgerichts Borna äußerte sich der Beteiligte zu 2 nicht. Die Beteiligte zu 1 trat der Ausstellung eines Erbscheins mit der Begründung entgegen, dass die Erblasserin am 25.04.2017 geschäftsunfähig gewesen sei, wie sich aus dem Pflegegutachten vom 18.05.2017 (BI. 42 ff. dA) ergebe. Die Rechtspflegerin des
Nachlassgerichts hat mit Beschluss, der am 24.08.2017 zur Geschäftsstelle gegeben worden ist, die für die Erteilung des Erbscheins erforderlichen Tatsachen für begründet erachtet. Aus der Pflegebedürftigkeit der Antragstellerin sei nicht auf ihre Geschäftsunfähigkeit zu schließen.
Der Notar habe keine Geschäftsunfähigkeit feststellen können, ansonsten hätte er die Beurkundung ablehnen müssen. An seinen Feststellungen zur Geschäftsfähigkeit bestehe kein Zweifel, denn nach dem Pflegegutachten habe die Erblasserin durchaus noch über kognitive und kommunikative Fähigkeiten verfügt und sei zur Gestaltung ihres Alltags und ihrer sozialen Kontakte imstande gewesen. Der Beschluss ist dem Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 am 29.08.2017 zugestellt worden. Ihn greift die Beteiligte zu 1 mit der Beschwerde an, die am 29.09.2017 beim Amtsgericht Borna eingegangen ist. Sie begründet ihre Beschwerde damit, dass im laufenden Betreuungsverfahren für die Antragstellerin ein Gutachten auch zur Geschäftsfähigkeit eingeholt werde, dass für das Erbscheinsverfahren herangezogen werden könne. Im Abhilfeverfahren zog die Rechtspflegerin des Nachlassgerichts das Betreuungsgutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie-Psychotherapie Dr. M. vom 05.10.2017 bei. Das Gutachten bezieht sich auch auf die Geschäftsfähigkeit der Antragstellerin am 25.04.2017. Zum Ergebnis des Gutachtens wird auf Blatt 78 der Akte verwiesen.
Die Rechtspflegerin des Nachlassgerichts hat der Beschwerde nicht abgeholfen, weil sich dem Gutachten nicht entnehmen lasse, dass die Antragstellerin am 25.04.2017 geschäftsunfähig gewesen sei. Dort sei nur aufgeführt, dass sie nicht mehr in der Lage sei, den Anforderungen einer Geschäftsfähigkeit gerecht zu werden. Der Gutachter sei aber zu dem Ergebnis gekommen, dass die Antragstellerin noch am 18.05.2017 verstehend lesen konnte.
II.
1.
Die Beschwerde ist statthaft und form- und fristgerecht eingelegt, §§58, 63, 64 FamFG. Die Beschwerdeberechtigung der Beschwerdeführerin ergibt sich aus § 59 Abs. 1 FamFG. Die Beschwerdeführerin wäre gesetzliche Erbin des Erblassers geworden, wenn er sie nicht durch Testament von der Erbfolge ausgeschlossen hätte. Ein Erbschein ist nur auf Antrag zu erteilen, § 2353 BGB. Deshalb wäre die Beschwerdeführerin in ihren eigenen Rechten verletzt, wenn ein Erbschein die testamentarische Erbfolge bezeugte, obwohl ein wirksamer Erbscheinsantrag nicht vorlag.
Der Beschwerdewert des § 61 Abs. 1 FamFG in Höhe von 600 € erreicht. Der Beschwerdeführerin geht es letztlich um eine mögliche eigene Berechtigung an dem Grundstück, die einen Wert von mehr als 600 € hat. Sie möchte nicht nur die Eintragung der Antragstellerin in das Grundbuch verhindern, sondern auch dem vorbauen, dass der Beteiligte zu 2 aufgrund der Schenkung vom 25.04.2017 als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen wird, obwohl die Schenkung und die Auflassung nach Auffassung der Beschwerdeführerin wegen fehlender Geschäftsfähigkeit der Antragstellerin unwirksam seien. Wenn die Auffassung der Beschwerdeführerin zutrifft und die Antragstellerin am 25.04.2017 das Grundstück nicht wirksam verschenken konnte, fiel das Grundstück noch in den Nachlass der Antragstellerin, so dass die Beschwerdeführerin als gesetzliche Erbin Rechte an dem Grundstück erlangt haben könnte.
Das Verfahren ist entscheidungsreif. Durch den Tod der Antragstellerin ist es nicht unterbrochen (vgl. Sternal in: Keidel, FamFG, 19. Aufl. 2017, § 21 Rn. 37 m.w.N.).
2.
Die Beschwerde ist auch begründet. Die Nachlassrechtspflegerin war für die Entscheidung über den Erbscheinsantrag funktionell nicht zuständig. Solche Entscheidungen sind nach § 16 Abs. 1 Ziff. 6 RPflG dem Richter vorbehalten. Zwar hat der Freistaat Sachsen den Richtervorbehalt entsprechend § 19 Abs. 1 S. 1 Ziff. 5 RPflG durch § 5a der SächsJOrgVO vom 07.03.2016 aufgehoben, dies aber nur, soweit bei diesen Geschäften keine Einwände gegen den Erlass der beantragten Entscheidung erhoben werden. Die Beschwerdeführerin hat jedoch Einwände gegen die Erteilung eines Erbscheins aufgrund testamentarischer Erbfolge geltend gemacht und damit eine Rechtsposition eingenommen, die der Auffassung der Antragstellerin entgegengesetzt war.
3.
Bei der weiteren Bearbeitung hat der Nachlassrichter des Amtsgerichts Borna Gelegenheit, die Verfahrensfähigkeit der Antragstellerin am 25.04.2017 erneut zu beurteilen. Dafür bietet es sich an, den Ersteller des Betreuungsgutachtens vom 05.10.2017 zu befragen, um Widersprüchlichkeiten in den Formulierungen dieses Gutachtens zur Geschäftsfähigkeit aufzuklären.
Ob der Nachlassrichter die Abschrift des Pflegegutachtens (BI. 42 ff. dA) für hinreichend leserlich hält, möge er ebenfalls entscheiden.
Es steht den Erben der Antragstellerin aber auch frei, den Erbscheinsantrag zurückzunehmen (§ 22 Abs. 1 S. 1 FamFG). Auch könnten die Verfahrensbeteiligten das Erbscheinsverfahren übereinstimmig für beendet erklären (§ 22 Abs. 3 FamFG), wenn ihnen das zweckmäßig erscheint.
Sie mögen berücksichtigen, dass die Wirksamkeit des Schenkungsvertrages weder im Nachlassverfahren noch zum Grundbuchverfahren, sondern allein in einem Zivilrechtsstreit abschließend geklärt werden kann.
Von einer Kostenerhebung ist nach§ 81 Abs. 1 S. 2 GNotKG abzusehen. Es widerspräche billigem Ermessen, die Verfahrenskosten einem der Beteiligten aufzuerlegen. Die Beschwerde hat zwar Erfolg, aber nicht aus den mit der Beschwerde geltend gemachten Gründen. Eine Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren ist nicht erforderlich, da Gerichtskosten nicht zu erheben und außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind.