Leitsatz

Der Umstand, dass für den AG-Bezirk Köln kein richterlicher Eildienst zur Nachtzeit (§ 104 Abs. 3 StPO) besteht, führt nicht zu einem Beweisverwertungsverbot für das Resultat einer durch einen Polizeibeamten angeordneten Blutprobenentnahme.

Tenor

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts G. vom 11. September 2009 wird als unbegründet verworfen.

2. Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht G. den – wegen einer Trunkenheitsfahrt mit Unfallgeschehen vorbelasteten – Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 15,00 € verurteilt und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von weiteren 18 Monaten keine Fahrerlaubnis zu erteilen.

In der Sache hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:

„Am 19.02.2009 erhielt die getrennt lebende Ehefrau des Angeklagten, die Zeugin W., in ihrer Wohnung (…) gegen 20:30 Uhr einen Telefonanruf der Schwester des Angeklagten, die ihr mitteilte, der betrunkene Angeklagte sei von seinem Wohnort aus mit seinem Pkw unterwegs zu ihr nach G. (…) Gegen 22:00 Uhr rief der Angeklagte über sein Mobiltelefon die Zeugin W. an und teilte ihr mit, dass er gleich erscheinen werde und mit ihr reden wolle. Vom Balkon der Wohnung der Zeugin W. aus beobachtete die Zeugin F., wie der Angeklagte kurz darauf mit seinem Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen (…) auf den Hinterhof der Wohnanlage fuhr, das Fahrzeug verließ und sich zur Haustür begab. (…) Der Angeklagte verlangte laut und aggressiv, hineingelassen zu werden, da er nach seinen Kindern sehen wolle. Die Zeugin F. bemerkte hierbei, dass der Angeklagte stark alkoholisiert war. Nachdem die Zeugin W. dem Angeklagten weiterhin den Einlass verwehrte, forderte er fünf Euro zum Tanken. Die Zeugin F. sagte dem Angeklagten, dass sie ihm das Geld vom Balkon herunter werfen werde, woraufhin sich der Angeklagte wieder in den Hinterhof begab. Die Zeugin F. warf dem Angeklagten sodann fünf Euro hinunter, woraufhin der Angeklagte in seinen Pkw stieg und wegfuhr. Nach zwei bis drei Minuten kehrte der Angeklagte mit dem Pkw in den Hinterhof zurück und forderte weitere zehn Euro, damit er mehr Tanken könne. Dies lehnte die Zeugin F. ab und forderte den Angeklagten auf wegzufahren, was er auch tat. Nach etwa fünf bis zehn Minuten kehrte der Angeklagte jedoch mit seinem Pkw erneut in den Hinterhof zurück, nahm über sein Mobiltelefon Kontakt mit seiner Ehefrau auf und drohte dieser, sie umzubringen, er werde nicht wegfahren und auf die Zeugin warten. Daraufhin rief die Zeugin F. die Mutter der Zeugin W. an, die ihr riet, die Polizei zu Hilfe zu rufen, was die Zeugin F. auch tat. Dies teilte sie auch dem Angeklagten mit.

Gegen 23:00 Uhr trafen der Zeuge PK K. und weitere Polizeibeamte an der Wohnung der Zeugin W. ein und trafen den Angeklagten im Hinterhof etwa zehn Meter neben seinem Pkw stehend an. (…) Das Fahrzeug war unverschlossen, auf dem Beifahrersitz lagen ein Messer, der Fahrzeugschlüssel sowie eine halbvolle Wodkaflasche. (…) Ein beim Angeklagten durchgeführter Atemalkoholtest ergab eine Atemalkoholkonzentration von 1,07 mg/I. Nach ordnungsgemäßer Beschuldigtenbelehrung durch den Zeugen PK K. gab der Angeklagte an, er sei mit dem Fahrzeug nach G. gefahren, eine Fahrerlaubnis besitze er nicht. Angaben über eine Alkoholaufnahme nach Eintreffen an der Wohnanschrift seiner Ehefrau machte der Angeklagte nicht. Die Polizeibeamten ordneten daraufhin die Entnahme von zwei Blutproben beim Angeklagten an und verbrachten ihn zu diesem Zweck auf die Polizeiwache. Dort entnahm die Ärztin Dr. T. beim Angeklagten um 23:55 Uhr eine Blutprobe, die eine Blutalkoholkonzentration von 2;25 Promille ergab, um 0:25 Uhr entnahm die Ärztin beim Angeklagten eine weitere Blutprobe, die eine Blutalkoholkonzentration von 2,14 Promille ergab.

Gegen dieses Urteil richtet sich das zunächst unbestimmte Rechtsmittel des Angeklagten, das dieser mit Schriftsatz vom 6. November 2009 zur Revision bestimmt und mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet hat. (…)

II.

Die zulässige Revision des Angeklagten bleibt in der Sache selbst ohne Erfolg. (…)

1.

Die Verfahrensrügen gefährden den Bestand des Urteils nicht.

(…)

b)

Die Rüge der Verletzung des (Richtervorbehalts nach) § 81a StPO greift letztlich ebenfalls nicht durch.

In dieser Hinsicht beanstandet die Revision zum einen, dass der Polizeibeamte, obwohl er nach den Urteilsfeststellungen noch vor 23:00 Uhr am Ort des Geschehens eingetroffen sei, nicht versucht habe, einen Richter zur Entscheidung über die Anordnung einer Blutprobe zu erreichen, sondern ohne weiteres selbst deren Entnahme angeordnet habe. Zum anderen wird bemängelt, dass im Bezirk des Amtsgerichts Köln zur Nachtzeit ein richterlicher Eildienst nicht eingerichtet sei, obwohl hierfür ein Bedarf bestehe. Aus diesen Verstößen resultiere ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich des Ergebnisses der Blutalkoholuntersuchung.

aa)

Diese Rüge ist in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügenden Weise ausgeführt. Insbesondere kann für die revisionsgerichtliche Prüfung davon ausgegangen werden, dass der Angeklagte nicht in die Blutentnahme eingewilligt hat (zum Erfordernis des diesbezüglichen Revisionsvorbringens vgl. etwa OLG Celle NJW 2008, 3079; OLG Hamm NJW 2009, 242; OLG Schleswig, Urt. v. 26.10.2009 – 1 Ss Owi 92/09 = BeckRS 2009 28618; OLG Dresden StV 2009, 571). Zu dieser Frage verhält sich das Rügevorbringen zwar nicht; die zugleich erhobene Sachrüge ermöglicht dem Senat aber den Rückgriff auf die Urteilsfeststellungen. Aus deren Zusammenhang ist mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass der Angeklagte nicht in die Blutprobenentnahme eingewilligt hat. So wird festgestellt, die Polizeibeamten hätten die Entnahme von zwei Blutproben bei dem Angeklagten „angeordnet“ und ihn zu diesem Zweck auf die Polizeiwache „verbracht“. In einer Gesamtschau mit den Urteilsausführungen zur Verwertbarkeit des Beweismittels lässt sich hieraus ableiten, dass der Angeklagte nicht in die Blutentnahme eingewilligt hat, es vielmehr einer Anordnung gemäß § 81a Abs. 1 StPO bedurfte. Ob der Angeklagte dieser widersprochen hat, ist hingegen nicht von Belang; denn das widerspruchslose Sich-Fügen in eine polizeiliche Anordnung ist nicht mehr, als von jedem Staatsbürger erwartet wird (vgl. OLG Celle zfs 2009, 530, 531 = VRS 117, 99).

bb)

Die Rüge ist indessen nicht begründet.

(1)

Es kann zunächst schon bezweifelt werden, dass der Polizeibeamte im vorliegenden Fall die – ihm grundsätzlich zustehende – Eilkompetenz aus § 81a Abs. 2 StPO wegen einer ansonsten eintretenden „Gefährdung des Untersuchungserfolgs“ zu Unrecht in Anspruch genommen hat.

Dabei mag freilich durchaus in Frage gestellt werden, ob in einer generalisierenden Betrachtungsweise davon auszugehen ist, dass bei Straftaten unter Alkoholeinfluss von vorneherein – ohne Berücksichtigung des Schutzzwecks des Richtervorbehalts im konkreten Einzelfall – eine Gefährdung des Untersuchungserfolgs i.S. des § 81a Abs. 2 StPO angenommen werden kann. Denn zum einen kann die Gefährdung des Untersuchungserfolgs nicht allein mit dem abstrakten Hinweis begründet werden, eine richterliche Entscheidung sei gewöhnlich zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb einer bestimmten Zeitspanne nicht zu erlangen (BVerfGE 103, 142 [156] = NJW 2001, 1121 = NStZ 2001, 382; BVerfG, NJW 2007, 1444; BGHSt 51, 285 [293] = NJW 2007, 2269 = NStZ 2007, 601). Zum anderen kann bei Straftaten im Zusammenhang mit Alkohol und Drogen die typischerweise bestehende abstrakte – und damit gerade nicht einzelfallbezogene – Gefahr, dass durch den körpereigenen Abbau der Stoffe der Nachweis der Tatbegehung erschwert oder gar verhindert wird, allein noch nicht für die Annahme einer Gefährdung des Untersuchungserfolgs ausreichen (SenE v. 26.09.2008 – 83 Ss 69/08 – = zfs 2009, 48 [49] = NStZ 2009, 406; OLG Hamm NJW 2009, 242 [243]; OLG Jena, B. v. 25. 11. 2008 – 1 Ss 230/08, BeckRS 2009, 4235; OLG Hamburg NJW 2008, 2597 [2598]). Anderenfalls würden die konkreten Umstände des Einzelfalls, etwa im Hinblick auf die jeweilige Tages- oder Nachtzeit, die jeweiligen Besonderheiten am Ort der Kontrolle, die Entfernung zur Dienststelle bzw. zum Krankenhaus mit Erreichbarkeit eines Arztes oder den Grad der Alkoholisierung und seine Nähe zu rechtlich relevanten Grenzwerten, völlig außer Betracht gelassen. Die Annahme einer Gefährdung des Untersuchungserfolgs muss vielmehr auf Tatsachen gestützt werden, die auf den Einzelfall bezogen und in den Ermittlungsakten zu dokumentieren sind, sofern die Dringlichkeit nicht evident ist. Das Bestehen einer solchen Gefährdung unterliegt der vollständigen, eine Bindung an die von der Exekutive getroffenen Feststellungen und Wertungen ausschließenden gerichtlichen Überprüfung (BVerfG NJW 2008, 3053 [3054]; BVerfG NJW 2007, 1345 [1346]; BVerfGE 103, 142 [156] = NJW 2001, 1121 = NStZ 2001, 382; OLG Hamburg NJW 2008, 2597 [2598]; OLG Hamm NJW 2009, 242 [243]; OLG Jena, B. v. 25. 11. 2008 – 1 Ss 230/08, BeckRS 2009, 4235).

Somit ist im Rahmen des § 81a Abs. 2 StPO für die im konkreten Einzelfall zu beurteilende Frage, ob die Ermittlungsbehörden eine richterliche Entscheidung rechtzeitig hätten erreichen können, der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem die Staatsanwaltschaft bzw. – wie hier – ihre Ermittlungspersonen eine Eingriffsmaßnahme in Form der Blutentnahme für erforderlich hielten (BGHSt 51, 285 [289] = NJW 2007, 2269 = NStZ 2007, 601). Die mit der Sache befasste Ermittlungsperson muss zu diesem Zeitpunkt eine eigene Prognoseentscheidung zur mutmaßlichen zeitlichen Verzögerung treffen. Dabei sind in diese Abwägung neben der wahrscheinlichen Dauer bis zum Eintreffen eines Arztes auf der Dienststelle bzw. bis zum Erreichen eines Krankenhauses und damit bis zur tatsächlichen Möglichkeit zur Entnahme der Blutprobe beim Beschuldigten sowohl die eintretende zeitliche Verzögerung mit oder ohne Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung als auch vor allem die bisher festgestellten konkreten Tatumstände am Ort der Kontrolle – insbesondere der durch eine Atemalkoholmessung bereits ermittelte oder durch Ausfallerscheinungen erkennbare Grad der Alkoholisierung und seine Nähe zu relevanten Grenzwerten – sowie das Verhalten des Beschuldigten einzubeziehen. Während bei einer höhergradigen Alkoholisierung eine kurzfristige Verzögerung ohne Gefährdung des Untersuchungserfolgs hinzunehmen ist, wird diese bei einer nur knappen Grenzwertüberschreitung eher zu bejahen sein. Vor allem ein unklares Ermittlungsbild oder ein komplexer Sachverhalt mit der Notwendigkeit einer genauen Ermittlung des BAK-Werts wird als ein Indiz für die Eilkompetenz der Strafverfolgungsbehörden herangezogen werden können (OLG Hamburg NJW 2008, 2597 [2598]; OLG Hamm NJW 2009, 242 [243]; OLG Jena, B. v. 25. 11. 2008 – 1 Ss 230/08, BeckRS 2009, 4235; OLG Bamberg NJW 2009, 2146). Eine Gefährdung des Untersuchungserfolgs durch eine Verzögerung tritt im Einzelfall dann ein, wenn die praktische Durchführung der Blutentnahme unter Berücksichtung der dargestellten Kriterien zu einem Zeitpunkt für notwendig erachtet wird, der erheblich von dem abweicht, zu dem mit einer richterlichen Entscheidung gerechnet werden kann (OLG Bamberg NJW 2009, 2146).

Im hier zu entscheidenden Fall ist für die Abwägung zum einen von Bedeutung, dass der die Blutprobe entnehmende Arzt (jedenfalls) um 23.55 Uhr – also etwa eine Stunde, nachdem sich die Notwendigkeit der Blutprobenentnahme herausgestellt hatte – erreichbar war. Ein Richter wäre hingegen frühestens am 20.02.2009 um 6.00 Uhr erreichbar gewesen. Denn nach der maßgeblichen AV des Justizministers NW vom 15.05.2007 (JMBl. NRW S. 165, dort Ziff. 1.1.) besteht der richterliche Eildienst in der Zeit von 6:00 Uhr bis 21:00 Uhr. Die Blutentnahme hätte sich daher um mehr als sechs Stunden verzögert, während der Arzt – wie gesehen – zeitnah erreichbar war. Abgesehen von der mit einer solchen Verzögerung für den Angeklagten verbunden Belastung bestand daher – trotz der durch die Atemalkoholkontrolle festgestellten höhergradigen Alkoholisierung – die Gefahr des Absinkens der Blutalkoholkonzentration unter rechtlich relevante Grenzwerte verbunden mit der – durch fortschreitenden Zeitablauf – zunehmenden Unsicherheit der Ermittlung der Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit.

Aus diesen Gründen liegt hier eine Gefährdung des Untersuchungserfolgs für den Fall nahe, dass eine richterliche Anordnung hätte abgewartet werden müssen.

(2)

Aber selbst bei einer abweichenden Beurteilung folgt für den hier zur Entscheidung stehenden Fall aus einem – dann vorliegenden – Beweiserhebungsverbot jedenfalls kein Beweisverwertungsverbot.

Insofern gehen die Strafgerichte in gefestigter, vom Bundesverfassungsgericht gebilligter und vom Beschwerdeführer auch nicht angegriffener Rechtsprechung davon aus, dass dem Strafverfahrensrecht ein allgemein geltender Grundsatz, wonach jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich zieht, fremd ist und dass die Frage der Verwertbarkeit verbotswidrig erlangter Erkenntnisse jeweils nach den Umständen des Einzelfalls, namentlich nach der Art des Verbots und dem Gewicht des Verstoßes, unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden ist. Insbesondere die willkürliche Annahme von Gefahr im Verzug, die bewusste Umgehung oder Missachtung des Richtervorbehalts oder das Vorliegen eines besonders schwer wiegenden Fehlers können danach ein Verwertungsverbot begründen (BVerfG NJW 2008, 3053; BGHSt 51, 285 = NJW 2007, 2269 = NStZ 2007, 601; BGH, B. v. 15.05.2008 – 2 ARs 452/07 – Rz. 15 bei Juris; speziell für den Fall der Blutentnahme: SenE v. 26.09.2008 – 83 Ss 69/08 – = NStZ 2009, 406 = ZfS 2009, 48; OLG Stuttgart NStZ 2008, 238 = Blutalkohol 45 [2008], 76 = VRS 113, 365; OLG Karlsruhe VRR 2008, 243; OLG Bamberg, NJW 2009, 2146; OLG Schleswig, Urt. v. 26.10.2009 – 1 Ss OWi 92/09 = BeckRS 2009, 28618; OLG Celle NJW 2009, 3524; OLG Jena, B. v. 25.11.2008 – 1 Ss 230/08 = BeckRS 2009 04235; jeweils mit weiteren Nachweisen).

Ein objektiv willkürliches Verhalten des Zeugen K. oder eine bewusste Umgehung des Richtervorbehalts liegt nicht vor. Soweit die Revision demgegenüber geltend macht, der Zeuge habe schon deswegen objektiv willkürlich gehandelt, weil er – obwohl noch vor 23.00 Uhr am Ort des Aufgriffs eingetroffen – nicht versucht habe, einen Richter zu erreichen, ist dieses Vorbringen offenbar von der Vorstellung beeinflusst, der richterliche Eildienst bei dem Amtsgericht Köln ende werktags um 23.00 Uhr und der nach den Urteilsfeststellungen „gegen“ 23.00 Uhr eingetroffene Zeuge Köster habe daher einen erfolgversprechenden Versuch unternehmen können, einen „Eilrichter“ (bzw. einen „Eilstaatsanwalt“, der dann seinerseits den Antrag gemäß § 162 Abs. 1 StPO hätte stellen können) zu erreichen. Diese Vorstellung ist indessen – wie bereits erwähnt – unzutreffend: Nach der AV des Justizministers vom 15.05.2007 (JMBl. NRW S. 165, dort Ziff. 1.1.) endet der richterliche Eildienst bereits um 21:00 Uhr. Unabhängig davon, wann genau der Zeuge K. vor Ort eingetroffen ist, war daher mit der Erreichbarkeit eines Richters nicht mehr zu rechnen; einen von vornherein aussichtlosen Versuch in diese Richtung musste der Zeuge nicht unternehmen.

Aber auch ein sonstiger besonders schwer wiegender Verstoß – jenseits willkürlichen Handelns oder einer bewussten Umgehung des Richtervorbehalts – ist nicht ersichtlich. Ein solcher wird insbesondere nicht dadurch begründet, dass bei dem Amtsgericht Köln ein richterlicher Eildienst auch zur Nachtzeit (im Sinne des § 104 Abs. 3 StPO) nicht eingerichtet war.

Die von 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm für den Landgerichtsbezirk Bielefeld vertretene gegenteilige Auffassung (OLG Hamm StV 2009, 567 = NJW 2009, 3109 = StraFo 2009, 417) beruht zunächst auf der impliziten Prämisse, ein sonstiger besonders schwer wiegender Verstoß gegen den Richtervorbehalt (Rz. 45: „fehlerhafte Missachtung des Richtervorbehalts durch die Justizverwaltung“; Rz. 51: „gröbliche Verletzung durch die Justizverwaltung“) könne – anders als in den bislang von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen (vgl. nur BGHSt 51, 285 = NJW 2007, 2269; OLG Bamberg, NJW 2009, 2146; SenE v. 27.10.2009 – 81 Ss 65/09 = BeckRS 2010 00255) – nicht nur im Verhalten des jeweils Anordnenden, sondern auch in einem strukturellen Versäumnis der Justizverwaltung gefunden werden. Denn es liegt auf der Hand, dass der Umstand des fehlenden richterlichen Eildienstes zur Nachtzeit nicht dem handelnden Polizeibeamten angelastet werden kann.

Auch der erkennende Senat hält Fallgestaltungen für vorstellbar, in denen ein solches strukturelles Versäumnis der Justizverwaltung zur Annahme eines besonders schwer wiegenden Verstoßes im Sinne der vorzitierten Rechtsprechung führen kann. Er ist allerdings nicht der Auffassung, dass die fehlende Einrichtung eines nächtlichen richterlichen Bereitschaftsdienstes zur Sicherung des Richtervorbehalts aus § 81a Abs. 2 StPO einen – der willkürlichen oder bewussten Umgehung dieses Richtervorbehalts gleich zu achtenden – schwerwiegenden Fehler begründet:

Zur Wohnungsdurchsuchung (§§ 102, 105 StPO, Art. 13 GG) hat – worauf sich auch der 3. Strafsenat des OLG Hamm stützt – das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen, dass zur Nachtzeit nicht stets und unabhängig vom konkreten Bedarf ein richterlicher Eildienst vorgehalten werden müsse; ein solcher sei allerdings dann verfassungsrechtlich gefordert, wenn hierfür ein praktischer, über den Ausnahmefall hinausgehender Bedarf bestehe (BVerfG NJW 2004, 1442). Auf den einfachgesetzlichen Richtervorbehalt des § 81a Abs. 2 StPO ist diese Rechtsprechung nicht übertragbar (BVerfG NJW 2008, 3053). Das gilt umso mehr, als das Bundesverfassungsgericht auch ausgesprochen hat, dass der Richtervorbehalt des § 81a StPO nicht zum rechtsstaatlichen Mindeststandard zu zählen sein dürfte (BVerfG a. a. O.). Die – offenbar auf eine bewusste Entscheidung des Verfassungsgebers zurückzuführende (vgl. BVerfG a. a. O.) – Differenzierung zwischen Wohnungsdurchsuchung einerseits und körperlichem Eingriff andererseits ist daher sowohl bei der Frage, ob aus einer Verletzung des Richtervorbehalts ein Beweisverwertungsverbot folgen kann, unter dem Gesichtspunkt der Schwere eines eventuellen Fehlers wertend mit heranzuziehen, als auch schon bei der Vorfrage, ob wegen der Anzahl der Blutentnahmen zur Nachtzeit ein Eildienst zwingend erforderlich ist, zu berücksichtigen (so zutreffend, aber nicht tragend OLG Hamm – 4. Strafsenat – StraFo 2009, 509).

Schon vor diesem Hintergrund bedarf es keiner Erörterung der – vom 3. Strafsenat des Oberlandesgericht Hamm (StV 2009, 567 = NJW 2009, 3109 = StraFo 2009, 417, Rz. 47) aufgeworfenen – Frage, ob die gemäß Erlass vom 22.06.2004 durchgeführten Erhebungen des Justizministeriums NW zur Notwendigkeit eines richterlichen Eildienstes zur Nachtzeit und die darauf gestützte Entscheidung gegen dessen Einrichtung fehlerhaft war und ob seither Anlass bestanden hätte, die Überprüfung zu wiederholen. In der erforderlichen Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs gilt, dass die Nichteinrichtung eines richterlichen Eildienstes zur Nachtzeit (jedenfalls) keinen den Fällen der Willkür oder der bewussten Umgehung des Richtervorbehalts gleich zu achtenden schweren Fehler darstellt. Abgesehen davon ergibt sich aus diesem Vorgang, dass die Justizverwaltung gerade nicht – wie dies für die Fälle der bewussten Umgehung des Richtervorbehalts charakteristisch ist – vor der Frage der Erforderlichkeit einer Sicherung der Regelanordnungszuständigkeit die Augen verschlossen hat.

2.

Auch die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge deckt keine durchgreifenden Rechtsfehler auf. (…)