Lv 1/18
VERFASSUNGSGERICHTSHOF DES SAARLANDES
BESCHLUSS
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren
des Herrn pp.
Verfassungsbeschwerdeführer,
Verfahrensbevollmächtigte:
g e g e n
1. das Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 17.2.2017 – 22 OWi 66 Js 3058/16 (699/16),
2. die Beschlüsse des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 25.10.2017 – Ss RS 17/2017 (OWi) – und vom 30.11.2017 – Ss RS 17/2017 (OWi)-
hat der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes unter Mitwirkung
des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs Prof. Dr. Roland Rixecker
des Vizepräsidenten des Verfassungsgerichtshofs Prof. Dr. Rudolf Wendt
des Verfassungsrichters Steffen Dick
der Verfassungsrichterin Prof. Dr. Annemarie Matusche-Beckmann
der Verfassungsrichterin Renate Trenz
des Verfassungsrichters Justizrat Hans-Georg Warken
des Verfassungsrichters Prof. Dr. Stephan Weth
der Verfassungsrichterin Almuth Zempel
am 27. April 2018
beschlossen:
1. Das Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 17.2.2017 – 22 OWi 66 Js 3058/16 (699/16) – und die Beschlüsse des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 25.10.2017 – Ss RS 17/2017 (OWi) – und vom 30.11.2017 – Ss RS 17/2017 (OWi) – verletzen den Verfassungsbeschwerdeführer in seinen Grundrechten auf ein faires Verfahren (Art. 60 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 SVerf), rechtliches Gehör (Art. 60 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Satz 1 SVerf) und eine willkürfreie Entscheidung (Art. 60 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 SVerf).
Die Entscheidungen werden aufgehoben.
2. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an einen anderen als den vorbefassten Bußgeldrichter des Amtsgerichts St. Ingbert zurückverwiesen.
3. Die dem Verfassungsbeschwerdeführer im Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen Auslagen sind ihm durch die Landeskasse zu erstatten.
4. Der Gegenstandswert wird auf 7500 Euro festgesetzt.
Gründe:
A.
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen einen Bußgeldbescheid des Landesverwaltungsamts, mit dem wegen fahrlässigen Missachtens des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage gegen ihn eine Geldbuße festgesetzt wurde.
Mit Bußgeldbescheid des Landesverwaltungsamtes – Zentrale Bußgeldbehörde – vom 15.9.2016 wurde gegen den Beschwerdeführer wegen fahrlässigen Missachtens des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage eine Geldbuße in Höhe von 90 Euro festgesetzt. Dem Bußgeldbescheid lag eine am 5.8.2016 um 5:14 Uhr in Saarbrücken an dem vom Beschwerdeführer geführten Lkw mit der kombinierten Geschwindigkeits- und Rotlichtüberwachungsanlage PoliScan F1 HP der Firma Vitronic durchgeführte Rotlichtmessung zugrunde. Der Beschwerdeführer hat, vertreten durch die Verfahrensbevollmächtigte, gegen den Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt.
Das Messgerät Vitronic PoliScan F1 HP verwendet einen Laserscanner zur Abtastung der Oberfläche von Fahrzeugen, welche sich auf der Fahrbahn befinden. Über deren Vorwärtsbewegung in einem bestimmten Zeitraum wird die Geschwindigkeit bestimmt. Zudem kann das Modell PoliScan F1 HP die Rotlichtzeichen einer Lichtzeichenanlage überwachen und bei Missachtung eine Erfassung mit Lichtbild anfertigen.
Die Verfahrensbevollmächtigte gab zur Überprüfung der Richtigkeit der Rotlichtmessung, die dem Bußgeldbescheid, der dem Beschwerdeführer gegenüber ergangen ist, zugrunde liegt, privat eine Begutachtung durch einen Sachverständigen in Auftrag. Dieser benötigte zur Durchführung der Überprüfung der mittels des Messgeräts PoliScan F1 HP erfolgten Rotlichtmessung des Beschwerdeführers die digitale Falldatei dieser Messung, die weiteren Falldateien der Messreihe, die Token-Datei, das Passwort und die Statistikdatei. Daher beantragte die Verfahrensbevollmächtigte bei der Stadt Saarbrücken, die die Messung durchgeführt hatte, bzw. dem Landesverwaltungsamt die Herausgabe dieser Dateien. Die Stadt Saarbrücken übersandte daraufhin der Verfahrensbevollmächtigten am 16.10.2016 per E-Mail eine Falldatei. Deren Inhalt konnte allerdings nicht festgestellt werden, da die Token-Datei und das Passwort nicht übermittelt wurden. Diese sind allerdings auf Grund einer besonderen Verschlüsselung zum Öffnen von PoliScan-Falldateien erforderlich. Die Token-Datei und das Passwort sollten, so die Stadt Saarbrücken, für einen Betrag von 150,00 Euro bei der Hessischen Eichdirektion erworben werden. Eine Statistikdatei, erklärte die Stadt, sei nicht vorhanden bzw. werde „im Hause nicht erstellt“. Hierzu teilte das von der Verfahrensbevollmächtigten beauftragte Sachverständigenbüro mit, dass bei dem verwendeten Messgerät Messstatistiken automatisch angefertigt werden und daher auch ohne händische „Erstellung“ vorhanden sein müssten.
Zudem wurde nach Abgabe der Sache durch die Stadt Saarbrücken an das Landesverwaltungsamt von der Verfahrensbevollmächtigten bei diesem beanstandet, dass sich in der Verfahrensakte nur ein Eichschein des Messgeräts befindet. Nach der Bauartzulassung des Messgeräts PoliScan F1 HP der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt muss bei der Rotlichtüberwachung außer dem eigentlichen Gerät auch der Standort des Geräts geeicht werden. Daher müssen zwei Eichscheine existieren. Das Landesverwaltungsamt teilte dazu mit, dass ein Eichschein zum Standort nicht existiere.
Die Sache wurde schließlich an das Amtsgericht Saarbrücken abgegeben. Auf einen dort gestellten Antrag auf Herausgabe der Messdaten hin teilte das Amtsgericht der Verfahrensbevollmächtigten mit, diese möge sich wegen der Messdaten an die Verwaltungsbehörde wenden. Gleichzeitig verfügte das Amtsgericht, dass die Rohmessdaten der tatgegenständlichen Messung der Verfahrensbevollmächtigten durch die Verwaltungsbehörde zugänglich zu machen seien. Da diese Verfügung der Verfahrensbevollmächtigten zunächst nicht bekannt war, stellte sie am 9.2.2017 gemäß § 62 OWiG einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit dem Ziel, die Verwaltungsbehörde zur Herausgabe von Token-Datei, Passwort und Statistikdatei zu verpflichten. Am gleichen Tag gab das Amtsgericht unter Hinweis auf die bevorstehende Hauptverhandlung am 17.2.2017 erneut der Verwaltungsbehörde auf, die in dem Antrag genannten Messdaten an die Verfahrensbevollmächtigte herauszugeben. Eine Reaktion des Landesverwaltungsamtes oder der Stadt Saarbrücken hierauf erfolgte nicht.
Daher beantragte die Verfahrensbevollmächtigte in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Saarbrücken vom 17.2.2017 erneut, ihr die digitalen Falldaten inklusive der unverschlüsselten Rohmessdaten der gesamtem Messserie, die Token-Datei, das zugehörige Passwort sowie die Statistikdatei zur Verfügung zu stellen und das Verfahren auszusetzen, bis die gewünschten Daten ihr vorlägen, und für den Fall einer Ablehnung des Aussetzungsantrags gemäߧ 238 Abs. 2 StPO darüber einen Gerichtsbeschluss zu fassen. Es wurde hierbei nochmals im Einzelnen gegenüber dem Gericht begründet, wofür die Daten benötigt würden und dass im Vorfeld der Hauptverhandlung mehrfach und dezidiert bei verschiedenen Stellen versucht worden sei, an die Messdaten zu gelangen. Den Aussetzungsantrag lehnte das Gericht durch Beschluss ab und führte sinngemäß aus, dass man eine Geschwindigkeit „messen“ könne, nicht aber einen Rotlichtverstoß und daher auch keine „Messdaten“ vorliegen könnten. Statt von einer Messung des Fahrzeugs sei von einer Erfassung zu sprechen. Einer Einsicht in die Dateien anderer gemessener Fahrzeuge stehe außerdem das Datenschutzgrundrecht entgegen.
Zudem stellte die Verfahrensbevollmächtigte einen Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens. Dieser wurde unter anderem damit begründet, dass ein standardisiertes Messverfahren bereits deshalb nicht vorliege, weil ein Eichschein zum Standort nicht existiere und dies einen Verstoß gegen die Bauartzulassung darstelle. Das Gericht lehnte den Beweisantrag gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG ab. Im Rahmen der mündlichen Urteilsbegründung führte der Vorsitzende dann aus, die Problematik um den fehlenden Eichschein zum Messstandort sei ihm bereits aus anderen Verfahren bekannt. Auf derartige Förmlichkeiten komme es ihm jedoch nicht an; entscheidend sei allein die materielle Richtigkeit der von der Überwachungsanlage ausgegebenen Ergebnisse.
Durch das Urteil wurde gegen den Beschwerdeführer eine Geldbuße von 90 Euro verhängt. In den Gründen des Urteils hieß es, es liege eine ordnungsgemäße Eichung vor. Aus anderen Verfahren sei gerichtsbekannt, dass auch eine Eichung zum Standort stattgefunden habe und ein Eichschein existiere, auch wenn dieser sich nicht in den Akten befunden habe.
Gegen dieses Urteil wurde mit Schriftsatz vom 3.4.2017 die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt. Der Antrag wurde unter anderem damit begründet, es liege durch die Nichtherausgabe der Rohmessdaten, wodurch die Äußerungsmöglichkeiten vor Gericht zur Messrichtigkeit vereitelt worden seien, eine Gehörsverletzung vor. Auch in der Ablehnung des in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrags liege ein Verstoß gegen das Grundrecht auf rechtliches Gehör. Ein solcher Verstoß sei ferner darin zu sehen, dass das Gericht von einem existierenden Standort-Messschein ausgegangen sei, ohne dass dies dem Betroffenen oder seiner Verfahrensbevollmächtigten bekannt gewesen sei.
Auch nach Ergehen des Urteils wurde von der Verfahrensbevollmächtigten die Einsicht in die Messdaten weiterhin erfolglos bei dem Landesverwaltungsamt und der Stadt Saarbrücken beantragt. Am 5.4.2017 sandte die Stadt Saarbrücken per E-Mail erneut einen PoliScan-Falldatensatz, jedoch ohne Token-Datei und Passwort, so dass auch dieser nicht analysiert werden konnte.
Mit Beschluss vom 29.6.2017 gab eine andere Abteilung des Amtsgerichts Saarbrücken, ohne dass ein erneuter Antrag gestellt worden wäre, der Verwaltungsbehörde auf, die Rohmessdaten, die Token-Datei und das Passwort an die Verfahrensbevollmächtigte herauszugeben. Nach Übersendung dieser Entscheidung an die Stadt Saarbrücken teilte diese gleichwohl mit, dass allenfalls eine Einsichtnahme in die Falldatei in den Räumlichkeiten der Behörde in Betracht komme. Davon wurde von Seiten der Verfahrensbevollmächtigten kein Gebrauch gemacht, da zu diesem Zeitpunkt das Urteil bereits ergangen war, die Begründungsfrist für den Zulassungsantrag abgelaufen und zudem die Rohmessdaten durch einen Sachverständigen begutachtet werden sollten, welcher hierfür eine Spezialsoftware benötige, die nur für den (stationären) Arbeitsplatzrechner in dessen Räumlichkeiten lizensiert sei.
Mit Beschluss vom 25.10.2017 verwarf das Saarländische Oberlandesgericht den Zulassungsantrag als unbegründet und führte u.a. aus: Eine Gehörsverletzung im Zusammenhang mit dem Eichschein sei nicht ordnungsgemäß in Sinne des § 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG in Verbindung mit § 344 Abs. 2 StPO gerügt, da die Verfahrensrüge außer der Angabe, es sei durch das Amtsgericht kein Hinweis auf die beabsichtigte Verwertung einer gerichtsbekannten Tatsache erteilt worden, keine Angaben darüber enthalte, ob die gerichtsbekannte Tatsache nicht auch in anderer Weise in die Hauptverhandlung eingeführt worden sei. Hinsichtlich der Messdaten begründe deren bloße Nichtherausgabe keine Verletzung des rechtlichen Gehörs, da das Gericht seine Überzeugung gerade nicht auf diese Messdaten gestutzt habe. Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde auf Grund eines fair-trial-Verstoßes durch das Amtsgericht analog § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG komme nicht in Betracht, da der Gesetzgeber bei einer Geldbuße bis zu 100 Euro ohne Nebenfolge die Zulassung der Rechtsbeschwerde bewusst auf Versagungen des rechtlichen Gehörs beschränkt habe. Soweit in der obergerichtliehen Rechtsprechung vertreten worden sei, dass vor einer Überlassung von Messdaten eine Ablehnung eines Beweisantrages auf Einholung eines technischen Sachverständigengutachtens gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG nicht möglich sei mit der Folge, dass eine gleichwohl erfolgte Ablehnung willkürlich und damit ein Gehörsverstoß sei, betreffe diese Rechtsprechung nur Ausnahmefälle und sei vorliegend nicht anwendbar.
Eine Anhörungsrüge, mit der die Behandlung der Gehörsrüge hinsichtlich des Eichscheins als unzulässig beanstandet wurde, wurde mit Beschluss vom 30.11.2017 – Ss Rs 17/2017 (30/17 OWi) -, eingegangen bei der Verfahrensbevollmächtigten am 5.12.2017, zurückgewiesen.
Gegen die Entscheidungen des Amtsgerichts Saarbrücken und des Saarländischen Oberlandesgerichts hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 2.1.2018 Verfassungsbeschwerde erhoben. Er sieht – unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens im ordnungswidrigkeitsrechtlichen Verfahren – seine Grundrechte auf ein faires Verfahren (Art. 60 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 SVerf), rechtliches Gehör (Art. 60 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Satz 1 SVerf) und eine willkürfreie Entscheidung (Art. 60 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 SVerf) als verletzt an.
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinen Verfahrensgrundrechten auf ein faires gerichtliches Verfahren, auf Gewährung rechtlichen Gehörs sowie auf eine willkürfreie Entscheidung.
I.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig (Art. 97 Nr. 4 SVerf, §§ 55 ff. VerfGHG).
1.
Der Verfassungsgerichtshof ist für die Entscheidung über die vorliegende Verfassungsbeschwerde zuständig (Art. 97 Nr. 4 SVerf in Verbindung mit § 9 Nr. 13 VerfGHG). Der Beschwerdeführer, der Träger von Grundrechten der Verfassung des Saarlandes ist, behauptet – ohne dass von vornherein schon ausgeschlossen wäre, dass eine solche Rüge berechtigt sein könnte – durch die saarländische öffentliche Gewalt, zu der auch die Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit zählen, in seinen Grundrechten verletzt worden zu sein. Er rügt im Hinblick auf das Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken und die Beschlüsse des Saarländischen Oberlandesgerichts eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren, des Rechts auf rechtliches Gehör und des Rechts auf eine willkürfreie Entscheidung.
2.
Der Beschwerdeführer erhob fristgerecht Anhörungsrüge gemäß § 356a StPO, der gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG auch für Rechtsbeschwerdeentscheidungen entsprechend gilt (vgl. den Beschluss des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 30.11.2017 – Ss RS 17/2017 [30/17 OWi] -,ferner die Beschlüsse vom 22.7.2016 – Ss Rs 15/2016 [20/16 Owi] – m. w. N., vom 27.7.2017 – Ss RS 22/2017 [40/17 OWi] – und vom 17.11.2017 – Ss RS 41/2017 [62/17 OWi] -) und der gemäß § 46 Abs. 1 OWiG auch auf Entscheidungen des Rechtsbeschwerdegerichts über Anträge auf Zulassung der Rechtsbeschwerde sinngemäß Anwendung findet (vgl. den Beschluss des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 30.11.2017 – Ss RS 17/2017 [30/17 OWi] -,ferner die Beschlüsse vom 27.7.2017 – Ss RS 22/2017 [40/17 OWi] – und vom 17.11.2017- Ss RS 41/2017 [62/17 OWi]) – sowie OLG Frankfurt, Beschluss vom 1.3.2007 – 2 SsOWi 524/06, 2 Ss OWi 524/06 -, juris), gegen den Beschluss des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 25.10.2017. Mit der Anhörungsrüge wandte sich der Beschwerdeführer gegen die in diesem Beschluss getroffene Annahme des Senats, die Rüge, das Amtsgericht habe den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass es die Eichung des Standorts des Messgeräts am 2.5.2016 mit Gültigkeit bis 31.12.2018 und die Existenz eines entsprechenden Eichscheins vom 17.5.2016 in den Urteilsgründen als gerichtsbekannt verwertet habe, obwohl weder der Beschwerdeführer noch seine Verfahrensbevollmächtigte hierzu vorher gehört worden seien und sich hierzu daher auch nicht hätten äußern können, entspreche nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Diese Annahme beruhte allerdings auf der fehlerhaften Nichtberücksichtigung des Vortrages des Beschwerdeführers in dem Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 3.4.2017, mit dem der Zulassungsantrag begründet wurde. Das Saarländische Oberlandesgericht zitierte dieses Vorbringen dahin, „dass das Landesverwaltungsamt des Saarlandes vor der Hauptverhandlung mitgeteilt habe, ein Eichschein hinsichtlich des Standorts existiere nicht, dies von der Verteidigerin in ihrem in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht gestellten Beweisantrag auch vorgetragen worden sei und der Vorsitzende in der mündlichen Urteilsverkündung ausgeführt haben soll, die Problematik um den fehlenden Eichschein zum Messstandort sei ihm bekannt, es komme jedoch auf derartige Förmlichkeiten nicht an, entscheidend sei allein die materielle Richtigkeit der von der Überwachungsanlage ausgegebenen Ergebnisse“. Das Saarländische Oberlandesgericht meinte aber, all dies schließe nicht aus, dass die Tatsache der Eichung des Messstandorts und der Existenz des diesbezüglichen Eichscheins nicht in anderer Weise in die Hauptverhandlung eingeführt worden sei, und vermisste hierzu Ausführungen der Verfahrensbevollmächtigten. Dem Einwand des Oberlandesgerichts, die Existenz des Eichscheins zum Standort sei möglicherweise in anderer Weise in die Hauptverhandlung eingeführt worden, konnte schon deshalb nicht gefolgt werden, weil in der Verhandlung vor dem Amtsgericht bei ordnungsgemäßer Verfahrenshandhabung spätestens bei Vorlage des schriftlichen Beweisantrages, welcher sich ausdrücklich auf die Nichtexistenz von Eichung bzw. Eichschein stützte, bzw. bei dessen Ablehnung vom Gericht auf dessen Kenntnis von der Existenz des Eichscheins hätte hingewiesen werden müssen, worauf sich die Verteidigung dann hätte einstellen können. Wäre das Vorhandensein einer Standorteichung in der Hauptverhandlung zur Sprache gekommen bzw. der Verfahrensbevollmächtigten zur Kenntnis gelangt, hätte die Verfahrensbevollmächtigte beantragen können, den Eichschein zur Akte zu nehmen, ihr zur Verfügung zu stellen sowie das Verfahren auszusetzen, hilfsweise zu unterbrechen, bis sie diesen Eichschein erhalten hätte; darauf hätte gemäß § 71 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 265 Abs. 4 StPO auch ein Anspruch bestanden. Aus alledem geht hervor, dass jedenfalls das Amtsgericht die Existenz des Eichscheins nicht positiv in die Verhandlung eingeführt hat und es dessen Existenz oder Nichtexistenztrotz der Infragestellung von dessen Existenz für irrelevant hielt. Ausführungen der Verfahrensbevollmächtigten in der Begründung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde dazu, dass die Tatsachen der Eichung des Messstandorts und der Existenz des diesbezüglichen Eichscheins nicht in anderer Weise in die Hauptverhandlung eingeführt worden seien, waren unter diesen Umständen nicht zu erwarten. Außerdem erklärte das Amtsgericht in seinem Urteil ja auch selbst nur, die Existenz des Eichscheins sei „gerichtsbekannt“, nicht aber, die Existenz sei in der Verhandlung dargelegt worden. Mit dem Vorbringen der Verfahrensbevollmächtigten in dem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wurde daher dem über die Rechtsbeschwerde entscheidenden Saarländischen Oberlandesgericht als letztinstanzlich entscheidenden Fachgericht nicht allein die Nichtbehebung eines Gehörsverstoßes der Vorinstanz, sondern ein neuer und eigenständiger Gehörsverstoß zur Last gelegt. Eine solche primäre Anhörungsrüge ist statthaft (vgl. BVerfG [K], Beschluss vom 30.5.2008 – 1 BvR 27/08 -, juris Rn. 17 f; Beschluss vom 29.2.2012 – 2 BvR 309/10 -, juris Rn. 17; Beschluss vom 10.10.2012 – 2 BvR 1218/10 -, juris Rn. 4; Henke, in: Burkiczak/Dollinger/Schorkopf [Hrsg.], Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 2015, § 90 Rn. 211).
Mit der Zurückweisung dieser statthaften und auch im Übrigen (§ 356a Satz 2, Satz 3 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG) zulässigen Anhörungsrüge durch Beschluss des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 30.11.2017 ist insoweit der Rechtsweg erschöpft (§ 55 Abs. 3 VerfGHG). Das folgt daraus, dass gegen die Zurückweisung der Anhörungsrüge durch das Gericht als unbegründet ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben ist. Auch der zugleich mit der Rüge der Gehörsverletzung geltend gemachten Verletzung weiterer Verfahrensgrundrechte steht der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde nicht entgegen.
3.
Soweit in dem Beschluss des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 25.10.2017 die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Verletzung seines Rechts auf rechtliches Gehör durch die Nichtherausgabe der Messdaten und die Ablehnung seines in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrags zurückgewiesen wird, hat dieser die Entscheidung nicht mit der Anhörungsrüge gemäß § 356a StPO angegriffen. Mit der Rüge von Gehörsverstößen hätten dem Saarländischen Oberlandesgerichts allerdings auch keine neuen, eigenständigen Gehörsverstöße, sondern allein die Nichtbehebung von Gehörsverstößen des Amtsgerichts als der Vorinstanz zur Last gelegt werden können (sog. perpetuierte Gehörsverstöße). Solche sekundären Anhörungsrügen sind nicht statthaft (vgl. BVerfG [K], Beschluss vom 30.5.2008- 1 BvR 27/08 -, juris Rn. 17 f; Beschluss vom 29.2.2012 – 2 BvR 309/10 -, juris Rn. 17; Beschluss vom 10.10.2012 – 2 BvR 1218/10 -, juris Rn. 4; Henke, in: Burkiczak/Dollinger/Schorkopf [Hrsg.], Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 2015, § 90 Rn. 211). Ihre Erhebung war daher durch den Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde nicht geboten.
Mit der negativen Bescheidung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde war daher der Rechtsweg ausgeschöpft (§ 55 Abs. 3 VerfGHG). Die Verfassungsbeschwerde ist daher auch insoweit zulässig, als sie auf die Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör durch die Nichtherausgabe der Messdaten und die Ablehnung des in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrags gestützt wird. Auch insoweit steht der zugleich mit der Rüge der Gehörsverletzungen geltend gemachten Verletzung weiterer Verfahrensgrundrechte die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde nicht entgegen.
4.
Die Verfassungsbeschwerde ist frist- und formgerecht nach § 56 Abs. 1 Satz 1, 2 VerfGHG erhoben worden. Die Monatsfrist zur Einlegung der Verfassungsbeschwerde ist gewahrt. Die Zurückweisung der Anhörungsrüge durch das Saarländische Oberlandesgericht datiert vom 30.11.2017 und wurde am 5.12.2017 der Verfahrensbevollmächtigten mitgeteilt. Die Frist zur Einlegung der Verfassungsbeschwerde begann auch nicht etwa bereits mit dem Erlass des Beschlusses des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 25.10.2017, mit dem der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde verworfen wurde. Mit Erlass dieses Beschlusses war der Rechtsweg noch nicht erschöpft. Denn die vom Beschwerdeführer erhobene Anhörungsrüge war gemäß § 356a StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Erst mit der Entscheidung über die Anhörungsrüge war daher der Rechtsweg erschöpft und begann die Frist zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde zu laufen.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Das Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 17.2.2017 – 22 OWi 66 Js 3058/16 (699/16) – und die Beschlüsse des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 25.10.2017 – Ss RS 17/2017 (30/17 OWi) – und vom 30.11.2017 – Ss RS 17/2017 (30/17 OWi) – verletzen die Verfahrensgrundrechte des Beschwerdeführers auf ein faires gerichtliches Verfahren (Art. 60 Abs. 1 SVerf in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 SVerf), auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 60 Abs. 1 SVerf in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 SVerf).
1.
Die – sich inhaltlich überschneidenden – Gewährleistungen eines fairen, rechtsstaatlichen Verfahrens und auf rechtliches Gehör werden von der Verfassung des Saarlandes – wie es der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs entspricht – in sachlicher Übereinstimmung mit den Grundrechten des Grundgesetzes verbürgt. Zwar spricht Art. 142 GG lediglich davon, dass Grundrechte in Landesverfassungen insoweit in Kraft bleiben, als sie mit den Gewährleistungen der Artikel 1 bis 18 des Grundgesetzes im Einklang stehen, erwähnt also – beispielsweise – die aus Art. 19 Abs. 4 GG oder aus Art. 103 GG folgenden Grundrechte nicht. Jedoch stehen im Sinne des Art. 142 GG den Grundrechten der Art. 1 bis 18 GG weitere grundrechtliche Gewährleistungen – vor allem die justiziellen Grundrechte – gleich (BVerfGE 22, 267 [271]; SVerfGH, Beschluss vom 19.4.2016- Lv 12/14 -).
2.
Das Grundrecht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren, das von der Verfassung des Saarlandes durch Art. 60 Abs. 1 SVerf in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 SVerf gewährleistet und auch vom Grundgesetz und Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK verbürgt wird, zielt auf die Ermittlung der Wahrheit und ein gerechtes Urteil. Als ein unverzichtbares Element der Rechtsstaatlichkeit des Strafverfahrens und daran anknüpfender Verfahren gewährleistet das Recht auf ein faires Verfahren dem Beschuldigten, prozessuale Rechte und Möglichkeiten mit der erforderlichen Sachkunde wahrnehmen und Übergriffe der staatlichen Stellen oder anderer Verfahrensbeteiligter angemessen abwehren zu können (BVerfGE 38, 105 [111]; BVerfGE 133,168 Rn. 58). Dies muss auch bei der Ahndung von Ordnungswidrigkeiten gelten. Da ein Betroffener nicht ein bloßes Objekt des Verfahrens sein darf, muss er die Möglichkeit erhalten, zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens Einfluss zu nehmen (BVerfGE 133, 168 Rn. 58). Das Recht enthält dabei keine im Einzelnen bestimmten Gebote und Verbote; es bedarf vielmehr der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten (BVerfG [K], Beschluss vom 14.6.2000 – 2 BvR 993/94 -, juris Rn. 5). In jedem Fall folgt aus ihm ein Anspruch auf materielle Beweisteilhabe, also auf Zugang zu den Quellen der Sachverhaltsfeststellung (BVerfG, NJW 2007, 204 [205]). Es muss eine Wissensparität und Waffengleichheit (BVerfGE 38, 105 [111]; Rixecker, in: Wendt/Rixecker, Verfassung des Saarlandes, Kommentar, 2009, Art. 20 Rn. 12; Cierniak/Niehaus, NStZ 2014, 527) hergestellt werden. Der fair-trial-Grundsatz begründet auch ein Recht auf Akteneinsicht (EGMR, NStZ 1998, 429; Cierniak, ZfS 2012, 664 [669 ff.]).
Das jedermann zustehende Grundrecht auf rechtliches Gehör wird gleichfalls aus Art. 60 Abs. 1 SVerf in Verbindung mit Art. 1 Satz 1 SVerf abgeleitet (SVerfGH, Beschluss vom 19.11.2007 – Lv 8/07 – Rn. 7; Urteil vom 14.3. 2018 – Lv 8/17 -, S. 7 f.). Es ist dem Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG inhaltsgleich. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nicht nur ein objektivrechtliches Verfahrensprinzip, das für ein gerichtliches Verfahren konstitutiv und grundsätzlich unabdingbar ist, sondern zugleich das zentrale prozessuale Grundrecht eines Menschen (BVerfGE 107, 395 [408]). Der Einzelne soll nicht bloßes Objekt eines gerichtlichen Verfahrens sein, er soll vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommen, um als Subjekt Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können (BVerfGE 107, 395 [409]). Sein Inhalt besteht darin, dass jeder Einzelne sich im Prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten behaupten kann (BVerfGE 60, 305 [310]). Wer bei Gericht formell ankommt, soll auch substantiell ankommen, also wirklich gehört werden. Damit soll sichergestellt werden, dass die zu treffende gerichtliche Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrages der Parteien haben (BVerfGE 53, 219 [222]). Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs sichert damit den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung ihrer Äußerungen (BVerfGE 107, 395 [409]; SVerfGH, Urteil vom 14.3.2018 – Lv 8/17 -, S. 7). Das Gericht muss die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen (BVerfGE 96, 205 [216]). Dabei gilt, dass die Gerichte nicht verpflichtet sind, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen ihrer Entscheidungen ausdrücklich zu bescheiden (BVerfGE 96, 205 [216 f.]; SVerfGH, Urteil vom 14.3. 2018 – Lv 8/17 -, S. 7). Vielmehr muss grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen einbezogen hat (BVerfGE 96, 205 [216]). Ergeben sich aus den besonderen Gründen des Einzelfalles Anhaltspunkte, dass ein Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, nicht nachgekommen ist, ist der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Befasst sich der wesentliche Kern eines Tatsachenvortrages einer Partei mit Fragen, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung sind und wird hierauf in den Entscheidungsgründen nicht eingegangen, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrages schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichtes unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfGE 86, 133 [146]; SVerfGH, Urteil vom 14.3.2018 – Lv 8/17 -, S. 8).
3.
Die Nichtzugänglichmachung einer lesbaren Falldatei mit Token-Datei und Passwort sowie der Statistikdatei verletzen das Gebot eines fairen Verfahrens und das Gebot des rechtlichen Gehörs.
a.
Nach der Rechtsprechung zum sog. standardisierten Verfahren, der vorliegend auch das Amtsgericht Saarbrücken und das Saarländische Oberlandesgericht gefolgt sind, genügt es, dass der Tatrichter in den Urteilsgründen das verwendete Messverfahren und ggf. den erfolgten Toleranzabzug angibt. Weitere Angaben und Nachforschungen hinsichtlich des Messgeräts, seiner genauen Funktionsweise und der Richtigkeit der Messdurchführung bzw. -auswertung sollen nicht erforderlich sein, da eine Vermutung der Richtigkeit und Genauigkeit aufgestellt wird (Fromm, NZV 2013, 16 [17]). Dies gilt für die Geschwindigkeits- wie auch für die Rotlichtüberwachung im Straßenverkehr. Daher werden die von einem automatisch arbeitenden Messgerät erfassten sog. Rohmessdaten, aus denen dieses die Geschwindigkeit oder die Tatsache eines Rotlichtverstoßes ableitet, üblicherweise auch nicht vom Tatrichter oder von der Bußgeldbehörde auf Messfehler oder Störungen hin überprüft; es genügt der in das Messfoto eingeblendete Geschwindigkeitswert (oder hier: Tatsache des Missachtens des Rotlichtes sowie Dauer des Rotlichtes beim Überfahren), den das Gerät bestimmt hat. Aus diesem Grund sind die Rohmessdaten auch nicht Teil der Gerichtsakte.
Die Richtigkeitsvermutung kann der Betroffene eines Bußgeldverfahrens nur angreifen, wenn er konkrete Anhaltspunkte für einen Fehler im Rahmen der Messung vorträgt. Es wird ihm also eine Beibringungs- bzw. Darlegungslast auferlegt (Cierniak, ZfS 2012, 664 [669]). Diese Punkte vorzutragen, also die erfolgversprechende Verschaffung rechtlichen Gehörs, wird ihm jedoch unmöglich gemacht, wenn die Messdaten als die Grundlage der Messung nicht für eine sachverständige Untersuchung zur Verfügung gestellt werden (OLG Celle, Urteil vom 16.6.2016- 1 Ss OWi 96/16 -, NJOZ 2017, 559 Rn. 5; Deutscher, DAR 2017, 723; Cierniak, ZfS 2012, 664 [669]). Letztlich wird er unter Verstoß gegen den Grundsatz eines fairen Verfahrens als Objekt des Verfahrens behandelt, dem wesentliche Mitwirkungsrechte versagt werden bzw. welches diese nicht effektiv ausüben kann.
Für den Betroffenen bzw. seinen Verteidiger ist es möglich, der Darlegungslast nachzukommen und das Messergebnis in Zweifel zu ziehen, wenn er die vom jeweiligen Messgerät erzeugten Digitaldaten als Grundlage jeder Messung technisch auswerten lässt. Daraus, dass einerseits die Verwaltungsbehörden bzw. die Gerichte sich zu einer Überprüfung aller Einzelheiten der Geschwindigkeitsmessung nicht verpflichtet sehen, andererseits der Betroffene für eine solche in eigener Regie durch einen Sachverständigen durchgeführte Überprüfung die bei der Messung angefallenen digitalen Daten als Grundlage der Messung benötigt, hat das Saarländische Oberlandesgericht als Konsequenz des Rechts auf ein faires Verfahren gefolgert, dass ihm diese Daten – auch wenn sie sich nicht in der Akte befinden und damit von § 147 StPO in Verbindung mit § 46 OWiG nicht erfasst werden – zur Verfügung zu stellen sind (Beschluss vom 24.2.2016 – Ss [Bs] 6/2016 [4/16 OWi] -, juris Rn. 7, unter Hinweis auf Cierniak, ZfS 2012, 664 [673]). Dem ist zuzustimmen, denn durch die sodann ermöglichte Transparenz des Messverfahrens ist die Waffengleichheit wieder hergestellt und dem Gebot eines fairen Verfahrens und des rechtlichen Gehörs genügt: Ein Betroffener kann dann adäquat auf den Tatvorwurf reagieren und den Tatvorwurf der Behörde bei Anhaltspunkten für Messfehler qualifiziert durch das Ergebnis der von ihm veranlassten technischen Untersuchung widerlegen oder erschüttern.
Aus dem Gebot eines fairen Verfahrens folgenden Gebot der Waffengleichheit folgt, dass ebenso, wie dem „Ankläger“ Möglichkeiten zur Verfügung gestellt werden, einen Tatvorwurf nachzuweisen – was in Fällen der hier diskutierten Art leicht möglich ist, da der vom Gerät angezeigte Wert dafür genügt -, einem im Bußgeldverfahren Betroffenen Zugang zu den Informationen gewährt werden muss, die er benötigt, um sich gegen den Vorwurf zu verteidigen oder durch einen Verteidiger verteidigen zu lassen („Parität des Wissens“, vgl. LG Trier, DAR 2017, 721 [722]; „Informationsparität“ gemäß Art. 6 EMRK, vgl. Krenberger, jurisPR-VerkR 17/2016).
Die Auffassung, dass aus dem Gebot eines fairen Verfahrens ein Anspruch auf Herausgabe von nicht bei der Akte befindlichen Messdaten folgt, wird im Saarland und bundesweit daher von einem Großteil der Bußgeldgerichte vertreten. So stellt das LG Trier, DAR 2017, 721 [722 f.]), fest: „Der Betroffene muss … , wenn er die Richtigkeit der Messung angreifen will, im jeweiligen Verfahren konkrete Anhaltspunkte darlegen, die für eine Unrichtigkeit der Messung sprechen. Eine pauschale Behauptung, mit der die Richtigkeit der Messung angezweifelt wird, genügt nicht. Ein solcher dezidierter Vortrag ist dem Betroffenen jedoch nur dann möglich, wenn er – bzw. sein Verteidiger – auch Zugang zu den entsprechenden Messunterlagen hat. Die Verwaltungsbehörde hat dem Betroffenen daher bereits vor Erlass des Bußgeldbescheides Zugang zu Informationen zu gewähren, die für seine Verteidigung von Bedeutung sein können. Dies folgt aus dem Recht auf Akteneinsicht (§ 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 147 StPO) i. V. m. dem Grundsatz des fairen Verfahrens (Art. 20 Abs. 3 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG). Der Grundsatz der Verfahrensfairness und das hieraus folgende Gebot der Waffengleichheit erfordern nämlich, dass sowohl die Verfolgungsbehörde wie auch die Verteidigung in gleicher Weise Teilnahme-, Informations- und Äußerungsrechte wahrnehmen kann.“ Diese Auffassung wird auch etwa vom OLG Jena, Beschluss vom 1.3.2016 – 2 OLG 101 Ss Rs 131/15 -, juris Rn. 17, vom OLG Gelle, Urteil vom 16.6.2016 – 1 Ss OWi 96/16 -, NJOZ 2017, 559, vom KG Berlin, Beschluss vom 7.1.2013 – 3 Ws (B) 596/12 -, juris (betr. Bedienungsanleitung), vom AG Frankenthal, Beschluss vom 30.12.2016 – 4 OWi 553/16 -, juris Rn. 1, und vom AG Schwelm, Beschluss vom 22.11.2016 – 60 OWi 520/15 -, juris Rn. 3, vertreten. Zahlreiche Literaturstimmen sind ebenfalls dieser Auffassung (Cierniak, ZfS 2012, 664 ff.; Fromm, NZV 2013, 16 [18]); ders., NZV 2016, 142; Leitmeier, NJW 2016, 1459; Krenberger, jurisPR-VerkR 17/2016; ders., NZV 2017, 589; ders., NZV 2018, 85; Deutscher, VRR 2015, Ausgabe 10, 16 f.; ders., DAR 2017, 723; Burhoff, VRR 2013, 78 f.; ders., StRR 2016, Ausgabe 4, 20 ff.). Ablehnende Stimmen finden sich nur vereinzelt. Sie überzeugen nicht. So sieht etwa das OLG Bamberg den Grundsatz des fairen Verfahrens durch die Nichtbeiziehung der „Lebensakte“ eine Abstands- und Geschwindigkeitsmessgerätes oder von sonstigen außerhalb der Akte befindlichen Unterlagen nicht als verletzt an (Beschluss vom 4. 10.2017 – 3 Ss 1232/17 -, NZV 2018, 80 ff.; vgl. auch bereits OLG Bamberg, Beschluss vom 4.4.2016 – 3 Ss OWi 1444/15 -, juris Rn 15 ff.; unentschieden OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.7.2015 – IV-2 RBs 63/15 -, juris Rn. 18 ff.). Die nicht bei der Akte befindlichen Messdaten werden in der Regel bei der Verwaltungsbehörde, die diese regelmäßig auch verwahrt, von Verteidigern angefordert. Liegen diese Daten im gerichtlichen Verfahren noch immer nicht vor, ist von dem jeweils Betroffenen oder seinem Verteidiger nach der Rechtsprechung des Saarländischen Oberlandesgerichts ein Antrag auf Aussetzung der Hauptverhandlung bis zum Erhalt der Messdaten zu stellen (Beschluss vom 24.2.2016- Ss [BS] 6/2016 [4/16 OWi] -, juris Rn. 8).
b.
Da die Verwaltungsbehörden den Einsichtsgesuchen der Verfahrensbevollmächtigten sowie den diesbezüglichen Verfügungen des Amtsgerichts nicht nachgekommen sind, hätte das Amtsgericht das Verfahren bis zur Herausgabe der Messdaten aussetzen sowie sicherstellen müssen, dass der Verfahrensbevollmächtigten eine Herausgabe dieser Daten nicht verwehrt wird. Denn da im Zeitpunkt der Hauptverhandlung diese Daten der Verfahrensbevollmächtigten und dem Sachverständigen nicht vorlagen, konnte eine effektive Verteidigung des Beschwerdeführers mit Vortrag von Messfehlern – wenn diese aufgetreten sein sollten – nicht vorbereitet werden. Damit ist dem Beschwerdeführer das Äußerungsrecht abgeschnitten bzw. dessen Ausübung faktisch unmöglich gemacht worden. Es liegt ein Verstoß gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens und des rechtlichen Gehörs vor. Ein Beruhen des angegriffenen Urteils auf diesem Verstoß ist nicht auszuschließen, denn hätte das Amtsgericht das Verfahren ausgesetzt und für eine Herausgabe der Messdaten an die Verfahrensbevollmächtigte gesorgt, hätte der von dieser beauftragte Sachverständige möglicherweise einen (Mess-)Fehler – z.B. zu lange Dauer des vorgeworfenen Rotlichts oder ein Problem bei der Anbindung der Überwachungs- an die Lichtzeichenanlage, so dass möglicherweise gar kein Rotlicht geleuchtet hat und nur ein falsches Signal geliefert wurde – festgestellt. Nach Vortrag eines solchen Fehlers in der Hauptverhandlung hätte die Entscheidung anders ausfallen können.
Soweit verlangt wird, dass der Antrag auf Zurverfügungstellung der Messdaten bereits vor der Hauptverhandlung gestellt wird (OLG Frankfurt, Beschluss vom 26.8.2016 – 2 Ss-OWi 589/16 -, juris Rn. 15; AG Trier, Beschluss vom 25.10.2016 – 35 OWi 780/16 -, BeckRS 2016, 123177 Rn. 10; Krenberger, NZV 2017), ist vorliegend diesem Erfordernis genügt.
Damit in Fällen der vorliegenden Art der Rechtsbeschwerdegrund der unzulässigen Beeinträchtigung der Verteidigung geltend gemacht werden kann, der auch bei einem Verstoß des Gerichts gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens in Betracht kommt, verlangt das Saarländische Oberlandesgericht, dass in der Hauptverhandlung ein Antrag auf Unterbrechung oder Aussetzung gestellt und durch Gerichtsbeschluss abgelehnt worden ist. Zum Erhalt dieser Rüge müsse von dem Zwischenrechtsbehelf des § 238 Abs. 2 StPO (in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG) Gebrauch gemacht werden (Saarländisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 24.2.2016 – Ss [Bs] 6/2016 [4/16 OWi] -, juris Rn. 8). Auch diesen Anforderungen ist vorliegend genügt. In der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Saarbrücken vom 17.2.2017 beantragte die Verfahrensbevollmächtigte erneut, ihr die Messdaten zur Verfügung zu stellen und das Verfahren auszusetzen, bis die gewünschten Daten ihr vorlägen. Für den Fall einer Ablehnung des Aussetzungsantrags beantragte sie gemäß § 238 Abs. 2 StPO, hierüber einen Gerichtsbeschluss zu fassen. Das Gericht lehnte den Aussetzungsantrag durch Beschluss ab, den Antrag auf gerichtliche Entscheidung beschied es nicht, was wie eine Ablehnung zu behandeln ist (Saarländisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 24.2.2016 – Ss [Bs] 6/2016 [4/16 OWi] -, juris Rn. 8). Die Verstöße des Gerichts gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens und des rechtlichen Gehörs blieben damit rügefähig.
c.
Im Einzelnen: Der Anspruch des Beschwerdeführers auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehör ist jedenfalls durch die Nichtherausgabe einer lesbaren Falldatei mit Token-Datei und Passwort sowie der Statistikdatei verletzt.
aa.
Für die Existenz eines digitalen Falldatensatzes der Messung des Beschwerdeführers spricht, dass die Verwaltungsbehörde der Verfahrensbevollmächtigten auf ihre Aufforderung zur Verfügungstellung der den Beschwerdeführer betreffenden Messunterlagen hin bereits zweimal einen – wenn auch verschlüsselten und damit unzugänglichen – Datensatz übersandt hat. Ferner spricht für die Existenz eines solchen Datensatzes, dass sich in der Bußgeldakte Lichtbilder des von dem Beschwerdeführer geführten Lkw befinden. Dazu müssen diese von der Überwachungsanlage PoliScan F1 HP aufgezeichnet und in einer Datei gespeichert worden sein. Hinsichtlich der Dauer des Rotlichts beim – vorgeworfenen – Überfahren der Haltelinie muss auch eine Zeitmessung stattgefunden haben, und diese Messung muss auch gespeichert worden sein.
Die digitale „Messdatei“ ist Grundlage und originäres Beweismittel der Messung, daher ist sie – rechtzeitig vor dem Prozess – einem Betroffenen auf dessen Wunsch hin zugänglich zu machen (OLG Oldenburg, Beschluss vom 6.5.2015 – 2 Ss [OWi] 65/15 -, juris Rn. 12, mit zahlreichen Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur; OLG Frankfurt, Beschluss vom 26.8.2016 – 2 Ss-OWi 589/16-, juris Rn. 14 f.; AG Bitburg, Beschluss vom 17.10.2016 – 3 OWi 102/15-, juris Rn. 2; AG Trier, Beschluss vom 25.10.2016 – 35 OWi 780/16 -, BeckRS 2016, 123177 Rn. 9; AG Schwelm, Beschluss vom 22.11.2016 – 60 OWi 520/15 -, juris Rn. 3). Es ist kein Grund dafür ersichtlich, dass dies nur bei der Geschwindigkeits-, nicht aber bei der Rotlichtüberwachung gelten sollte. Eine Überprüfung des Falldatensatzes durch einen Sachverständigen ermöglicht auf Grund der digitalen Signatur des Datensatzes zunächst die Feststellung, ob dieser Datensatz unverändert ausgewertet und die Auswertung der Messung so zum Tatvorwurf gemacht wurde oder ob der Datensatz manipuliert wurde. Die in dem Datensatz enthaltenen technischen Angaben lassen ebenfalls Rückschlüsse darauf zu, ob es bei der Messung zu einem technischen Problem des Messgerätes gekommen ist. Aus diesem Grund hat der von der Verfahrensbevollmächtigten beauftragte Sachverständige auch mitgeteilt, eine abschließende Überprüfung einer solchen Rotlichtmessung sei ihm nur mit Hilfe des Falldatensatzes – sowie der Token-Datei und des Passwortes – möglich.
Die Stadt Saarbrücken hat am 6.10.2016 sowie am 5.4.2017 einen Falldatensatz an die Verfahrensbevollmächtigte übersandt. Aufgrund der Nichtübersendung der Token-Datei und des Passwortes konnte nicht festgestellt werden, ob tatsächlich der den Beschwerdeführer betreffende Falldatensatz an die Verfahrensbevollmächtigte herausgegeben worden ist. Dies kann aber in Übereinstimmung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers dahingestellt bleiben, da jedenfalls auf Grund der Nichtherausgabe der Token-Datei und des Passwortes der Inhalt des Datensatzes nicht festgestellt werden konnte, selbst wenn es sich um den Falldatensatz, der den Beschwerdeführer betraf, gehandelt haben sollte.
Die Rüge der Nichtherausgabe der weiteren Falldaten der Messreihe – also der Messdatensätze anderer Verkehrsteilnehmer – verfolgt der Beschwerdeführer nicht weiter.
bb.
Das Einsichtsrecht in den Falldatensatz einer Messung liefe leer, wenn außer diesem nicht auch diejenigen Daten herausgegeben werden müssten, mit denen der verschlüsselte Falldatensatz entschlüsselt werden kann (AG Bitburg, Beschluss vom 17.10.2016 – 3 OWi 102/15-, juris Rn. 2). Denn im Gegensatz zu anderen Messgeräten ist bei solchen der Firma Vitronic die Falldatei so konzipiert, dass sie nur mittels Token-Datei und zugehörigem Passwort geöffnet / entschlüsselt werden kann, anderenfalls bleibt ihr Inhalt verborgen.
Dementsprechend sind nach herrschender Ansicht die Token-Datei und das Passwort von der Verwaltungsbehörde herauszugeben (OLG Oldenburg, Beschluss vom 6.5.2015 – 2 Ss (OWi) 65/15 -, juris; OLG Celle, Urteil vom 16.6.2016 – 1 Ss OWi 96/16 -, NJOZ 2017, 559 f.; AG Trier, Beschluss vom 25.10.2016 – 35 OWi 780/16 -, BeckRS 2016, 123177 Rn. 9 ff.; AG Gießen, Beschluss vom 27.10.2015- 512 OWi 83/15 -, juris Rn. 1; AG Bitburg, Beschluss vom 17.10.2016 – 3 OWi 102/15 -, juris Rn. 2; AG Erfurt, Verfügung vom 1.6.2016 – 64 OWi 1239/15 -, juris; AG Schwelm, Beschluss vom 22.11.2016 – 60 OWi 520/15 -, juris Rn. 3). Das Amtsgericht hätte daher sicherstellen müssen, dass die Beschwerdeführerin die Token-Datei und das Passwort des verwendeten Messgeräts zur Auswertung der Messung erhielt, bevor es sein Urteil sprach. Diese Sicherstellung hat es versäumt und damit das Recht des Beschwerdeführers auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehör verletzt.
Ein Verweis auf die hessische Eichdirektion durch die Stadt Saarbrücken – welche diese Dateien ebenfalls besitzt, da sie sonst die von ihr im Stadtgebiet durchgeführten Messungen nicht auswerten und zur Anzeige bringen könnte – war insofern nicht zulässig, als die Gewährung von Akteneinsicht durch die Verwaltungsbehörde und nicht ein am Verfahren nicht beteiligtes Eichamt zu erfolgen hat (AG Erfurt, Verfügung vom 1.6.2016 – 64 OWi 1239/15 -, juris; AG Schwelm, Beschluss vom 22.11.2016 – 60 OWi 520/15, 60 OWi 469 Js 768/15 – 520/15, 60 OWi 469 Js 768/15-520/15 -, juris Rn. 4). Zu Recht hatte daher vorliegend auch das Amtsgericht im Vorfeld der Hauptverhandlung mehrfach bestimmt, dass die Daten herauszugeben seien, und damit zugleich der Verweisung auf die Eichdirektion eine Absage erteilt.
Auf die Möglichkeit, Einsicht in die Daten in den Räumlichkeiten der Stadt Saarbrücken zu nehmen, kommt es bereits deshalb nicht an, weil dieses „Angebot“ erst nach dem Ergehen des – verfahrensfehlerhaften – erstinstanzlichen Urteils gemacht wurde. Dieses Angebot ist aber auch deshalb keine praktizierbare Alternative zur Herausgabe der Daten durch die Behörde – etwa durch Versenden der Daten per E-Mail -, weil ein Sachverständiger die Daten regelmäßig in der Form benötigt, dass sie ihm in seinem Büro zur Verfügung stehen. Weder sind in den Rechnern einer Ordnungsbehörde üblicherweise die Softwareprogramme zu finden, mit denen die Messdaten vollständig überprüft werden könnten, noch kann ein Sachverständiger an diesen Geräten sein Gutachten erstellen.
cc.
Auch mit dem Fällen des Urteils trotz Nichtherausgabe der Statistikdatei hat das Amtsgericht gegen das Recht des Beschwerdeführers auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehör verstoßen (vgl. AG Gießen, Beschluss vom 27.10.2015 – 512 OWi 83/15-, juris; AG Trier, Beschluss vom 25.10.2016 – 35 OWi 780/16 -, BeckRS 2016, 123177; AG Frankenthal, Beschluss vom 30.12.2016 – 4 OWi 553/16-, juris Rn. 1; Deutscher, DAR 2017, 723; dagegen verneint OLG Frankfurt, Beschluss vom 26.8.2016- 2 Ss -OWi 589/16 -, juris Rn. 17 f., grundsätzlich eine Anspruch auf Beiziehung der gesamten Messreihe; sehr restriktiv auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.7.2015- IV-2 RBs 63/15 -, juris). Auch die Statistikdatei enthält technische Informationen zu Messung, ist damit von potentiell be- oder entlastender Bedeutung für den Beschwerdeführer und hätte daher herausgegeben werden müssen. Unter anderem enthält sie Informationen über die Anzahl aufgezeichneter Verstöße im Messzeitraum, was auch Rückschlüsse auf die Sichtbarkeit der Lichtzeichenanlage und damit den Fahrlässigkeitsvorwurf zulassen kann, ferner die Annullationsrate, also Informationen darüber, wie viele Messungen die Anlage – womöglich auf Grund äußerer Einflüsse oder Störfaktoren – verworfen hat. Hohe Annullationsraten können nach Auffassung verschiedener Sachverständiger dazu führen, dass auch hinsichtlich der nicht annullierten Messungen fehlerhafte Einflüsse nicht ausgeschlossen werden können. Man kann der Statistikdatei entnehmen, ob tatsächlich alle Messfotos zur Auswertung vorgelegen haben oder zwischenzeitig einzelne Messfotos gelöscht wurden und hieraus möglicherweise Schlussfolgerungen in Bezug die Richtigkeit der Messungen ziehen.
Der von dem Beschwerdeführer beauftragte Sachverständige bestätigt, dass das verwendete Messgerät zu jeder Messreihe automatisch eine Statistikdatei anfertigt, so dass die Stadt Saarbrücken zu Unrecht darauf abgestellt hat, sie „erstelle“ solche Dateien „nicht“. Entsprechend hat das Amtsgericht der Verwaltungsbehörde aufgegeben, die Datei herauszugeben, ist also ebenfalls von deren Existenz ausgegangen. Das Nichtvorhandensein der Datei hätte die Stadt Saarbrücken jedenfalls näher begründen müssen (vgl. LG Trier, DAR 2017, 721 [723]).
4.
Auch die Ablehnung des in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht gestellten Beweisantrags auf Einholung eines technischen Gutachtens verletzt das Gebot eines fairen Verfahrens, das Gebot des rechtlichen Gehörs und das Willkürverbot.
Es ist willkürlich und unfair und begründet einen Gehörsverstoß, wenn nach Nichtzugänglichmachung der Messdaten – in dieser Situation – der Beweisantrag auf Einholung eines technischen Gutachtens zur weiteren Überprüfung der Messung auf Fehlerhaftigkeit mit der Begründung abgelehnt wird, es liege ein standardisiertes Verfahren vor, und damit ausdrücklich oder stillschweigend dem Beschwerdeführer oder der Verteidigung vorgeworfen wird, es seien keine konkreten Anhaltspunkte für Messfehler dargelegt worden. Eine solche Darlegung wäre nämlich erst nach Einsicht in die Messdaten möglich gewesen.
Das OLG Oldenburg hat mit Beschluss vom 6.5.2015 – 2 Ss (OWi) 65/15 -, juris), in diesem Sinne entschieden, dass die Ablehnung eines Beweisantrages bei fehlerhafter vorheriger Nichtherausgabe der Messdaten einen Verstoß gegen das Willkürverbot und das Gebot des rechtlichen Gehörs darstellt. Es hat dazu zutreffend ausgeführt, ein Beweisantrag dürfe nicht gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG abgelehnt werden, wenn die Tatsache, dass außer allgemeinen Einwendungen gegen das Messgerät keine (weiteren, konkreten) Anhaltspunkte für Messfehler vorgetragen worden sind, um darauf aufbauend die Fehlerhaftigkeit der Messung unter Beweis zu stellen – was seine Ablehnung normalerweise tragen würde -, allein darauf beruht, dass die digitalen Messdaten, die diese Anhaltspunkte enthalten können, nicht herausgegeben worden sind. In diesem Fall sind der fehlende Vortrag und die fehlende Angabe von Anhaltspunkten für Messfehler gerade vom Gericht zu verantworten. Dem Beweisantrag des Betroffenen bzw. des Verteidigers dann entgegenzuhalten, er enthalte nicht genügend Tatschen, ist willkürlich, missachtet das Gebot eines fairen Verfahrens und verletzt das rechtliche Gehör. Denn ein Beweisantrag darf nur mit gesetzlicher Grundlage abgelehnt werden. Steht § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG aber nicht zur Verfügung, dann liegt entgegen dem Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs eine Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebotes vor, ohne dass dies im Prozessrecht eine Stütze fände. Auch das OLG Jena hat dazu entschieden, dass in einem solchen Fall der Ablehnungsgrund des § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG für Beweisanträge nicht zur Verfügung steht (OLG Jena, Beschluss vom 1.3.2016 – 2 OLG 101 Ss Rs 131/15 -, juris Rn. 10 ff. = NJW 2016, 1457).
Demgegenüber hat das Saarländische Oberlandesgericht vorliegend die Ablehnung des Beweisantrages nicht beanstandet und einen Gehörsverstoß insoweit fehlerhaft verneint. Es geht zu Unrecht davon aus, dass die Nichtüberlassung von Messdaten sich nicht auf die Voraussetzungen zur Ablehnung von Beweisanträgen im Rahmen des § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG auswirkt. Zur Begründung erklärt das Gericht, die Entscheidung des OLG Oldenburg vom 6.5.2015 – 2 Ss (OWi) 65/15 -, juris, nach der die Ablehnung eines Beweisantrages bei fehlerhafter vorheriger Nichtherausgabe der Messdaten einen Verstoß gegen das Willkürverbot und das Gebot des rechtlichen Gehörs darstelle, sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, weil sie eine Ausnahmekonstellation betroffen habe. Tatsächlich bezog sich der vom OLG Oldenburg verwendete Begriff der „Ausnahmekonstellation“ darauf, dass in jenem Fall die beantragten Messdaten dem Betroffenen ohne vernünftigen Grund nicht zur Verfügung gestellt worden waren (OLG Oldenburg, Beschluss vom 6.5.2015 – 2 Ss (OWi) 65/15 -, juris Rn. 12). Dies entspricht der vorliegenden Fallkonstellation. Daher ist vorliegend ein Verstoß gegen den Grundsatz eines fairen Verfahrens, das Willkürverbot und das Gehörsgebot gegeben.
5.
Dadurch, dass das Amtsgericht den Beschwerdeführer und dessen Verfahrensbevollmächtigte auf die Existenz einer Standorteichung und des Eichscheins zum Standort nicht hingewiesen hat, hat es ebenfalls das Recht des Beschwerdeführers auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehör verletzt.
Die Eichung des Standorts und damit einhergehend die Existenz eines Eichscheins betreffend den Standort waren aus der Verfahrensakte nicht ersichtlich, wurden in der Hauptverhandlung nicht erwähnt oder eingeführt, dennoch hat das Amtsgericht diese Tatsachen im Urteil verwertet. Es ist nicht ersichtlich, warum in der Verhandlung nicht spätestens bei Vorlage des schriftlichen Beweisantrages, welcher sich ausdrücklich auf die Nichtexistenz von Eichung bzw. Eichschein stützt, auf den Wissensvorsprung des Gerichts hingewiesen wurde. Dies wäre auch in dem Beschluss über die Ablehnung des Beweisantrages (§ 244 Abs. 6 Satz 1 StPO) möglich gewesen, statt diesen nur mit Kurzbegründung (§ 77 Abs. 3 OWiG) abzulehnen und erst in den Urteilsgründen näher darauf einzugehen.
Wäre das Vorhandensein einer Standorteichung in der Hauptverhandlung zur Sprache gekommen bzw. der Verfahrensbevollmächtigten oder dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gelangt, hätte die Verfahrensbevollmächtigte, wie bereits festgestellt, beantragen können, den Eichschein zur Akte zu nehmen, ihr zur Verfügung zu stellen sowie das Verfahren auszusetzen, hilfsweise zu unterbrechen, bis sie diesen Eichschein erhalten hätte; darauf hätte gemäß § 71 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 265 Abs. 4 StPO auch ein Anspruch bestanden. Je nach Inhalt hätte die Verfahrensbevollmächtigte den Eichschein und die dortigen technischen Angaben von dem von ihr beauftragten Sachverständigen prüfen lassen. Denn wenn aus dem Eichschein ein bestimmter der Eichung anhaftender Mangel ersichtlich gewesen wäre, wäre die Vermutung der Richtigkeit des standardisierten Messverfahrens schon aus diesem Grunde entfallen. Daher entspricht es zumindest im Saarland der Verwaltungspraxis, in jedem Bußgeldverfahren, in dem ein Messgerät im Straßenverkehr eine Rolle spielt, dessen Eichschein frühzeitig zur Akte zu nehmen und im Rahnen der Akteneinsicht der Verteidigung zu Verfügung zu stellen.
III.
Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berufen, die noch nicht entscheidungsreife Sache, die weiter aufgeklärt werden muss, an Stelle des Fachgerichts zu betreiben. Dies bleibt dem Fachgericht, das sich nach Aufhebung der Entscheidungen mit der Sache zu befassen hat, vorbehalten.
Die Auslagenentscheidung beruht auf § 26 Abs. 3 VerfGHG. Das Saarland hat dem Beschwerdeführer die außergerichtlichen Kosten des Verfassungsbeschwerdeverfahrens zu erstatten.